Der Zürcher Künstler Tullio Zanovello hat für die Alpenfestung eine Bildmaschine gebaut und sich damit nun in Schlieren einquartiert.
Als Tullio Zanovello nach dem Zusammenbau das erste Mal vor seiner über vier Meter hohen Bildmaschine in Schlieren stand, war er enttäuscht. «Ich war erschöpft und dachte, sie ist viel zu klein geraten», sagt er. Erst bei der zweiten Begegnung zwei Tage später liess sich Zanovello von der Mächtigkeit seines tonnenschweren Werks beeindrucken. Im Sommer 2018 wird er es in der ehemaligen Alpenfestung Sasso San Gottardo aufstellen.
Die Maschine besteht aus mehreren unterschiedlich grossen und bemalten Platten, die sich nach und nach aufklappen und schliesslich den Blick ins Innere der Konstruktion freigeben. Dort kommt eine janusköpfige Helvetia zum Vorschein. Begleitet werden die Öffnung und die nachfolgende Schliessung von besonderen Lichteffekten und Musik, die Zanovello selbst komponiert hat.
Auf einem der Bilder wird Zanovello eine Szene aus der Schöllenenschlucht abbilden. Die mythischen Erzählungen von der Teufelsbrücke seien gut geeignet, um die übergeordnete Frage seines Werks zu illustrieren: Was ist jemand bereit, von seiner Seele zu veräussern, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Dafür bedient sich der Künstler vielen Gegensätzen. «Kunst muss den Widerstreit von Gut und Böse in sich vereinen, um das Leben widerzuspiegeln», sagt der Zürcher Künstler. Ein anderes Motiv zeigt Ziegenböcke und Soldaten, die in einer Höhle stehen.
Bevor der 54-Jährige seine Bildmaschine zusammenbauen konnte, hat er acht Monate lang an den Platten gearbeitet. In stundenlanger Arbeit hat er dünne Schieferplatten aufgeklebt. Dabei legte er viel Wert darauf, dass die Steinplatten zueinander passen und die Übergänge stimmen. «Zuerst habe ich alle Platten gesichtet, um sie anschliessend nach Muster und Laufrichtung zu verarbeiten», sagt er.
Vor kurzem konnte Zanovello die Einzelteile der Bildmaschine in eine Industriehalle im ehemaligen Gaswerk in Schlieren transportieren und mithilfe von vier Kollegen zusammenbauen. In seinem Atelier war ihm dies aufgrund der Platzverhältnisse nicht möglich. «Wir haben keine bösen Überraschungen erlebt», sagt er. Alles habe wie geplant zusammengepasst.
Nach dem erfolgreichen Aufbau folgt nun das Bemalen der sieben Bilder. Dazu greift Zanovello auf seine Studien zurück. Weil die Modelle nicht Originalgrösse haben, kann er sie nicht eins zu eins auf die grossen Steinplatten übertragen. «Mit der Vergrösserung der Bilder gewinnt man an Raum», sagt der Spezialist für grosse Werke. Würden die Entwürfe nicht mit weiteren Sujets ergänzt, bestehe die Gefahr, dass die Gemälde im Original leer wirken. «Das ist vergleichbar mit einer Bleistiftzeichnung: Das Papier wird grösser, aber die Strichdicke bleibt», sagt er.
Um die Grösse der Bilder in den Griff zu kriegen, tastet er sich schrittweise heran. Von den kleinen Modellen stellt er immer grössere Bilder her, bis er das Sujet schliesslich mit Kohle auf die Steinplatten skizziert. Jede Bildidee interpretiert er so mehrfach neu. Das Endprodukt stellt sich der Künstler als Höhlenmalerei vor. «Die Textur des Schiefers soll sichtbar bleiben», verrät der Künstler mit italienischen Wurzeln.
Neben dem Skizzieren der Bilder arbeitet Zanovello derzeit auch an der Abstimmung des Ablaufs. «Nach dem Aufbau konnte ich endlich sehen, wie die Bildmaschine wirkt», sagt er. Das habe einige Anpassungen erforderlich gemacht. Die Zeit für das Aufklappen der Platten zum Beispiel habe er ursprünglich zu knapp geschätzt. «Die Platten erschienen durch die schnelle Bewegung nicht mächtig genug», sagt er. Durch die Verlängerung der Zeiten ergaben sich aber weitere Änderungen. Ganze Teile des bereits geschriebenen Musikstücks musste Zanovello deswegen entweder verwerfen oder umschreiben. «Die Abstimmung von Musik, Licht und Bewegung ist eine Herausforderung, weil alles ineinander verzahnt ist», sagt er.
Auch bei den Lichteffekten befindet sich die Maschine in der Testphase. Vorgestern hat sich der Künstler einen Tag lang damit beschäftigt. Dabei wollten ihm nicht alle Effekte so gelingen, wie er sich das vorgestellt hatte. Um Modifikationen werde er nicht herumkommen. Trotz der aufwendigen Anpassungen sieht er den Zeitplan nicht gefährdet, sodass die Bildmaschine pünktlich zur öffentlichen Präsentation im Mai 2018 bereit sein wird.