Lange Zeit kam die wegweisende Schweizer Künstlerin selbst kaum zu Wort. Das hat sich geändert, seit eine dreibändige Ausgabe ihrer Briefe erschienen ist.
Eben sind ihre Werke wieder durch die Welt getourt, unter dem Motto «Living Abstraction», mit Aufenthalten an besten Adressen: erst im Kunstmuseum Basel, dann in der Tate Modern London, schliesslich im Moma New York. Endlich hat sich Sophie Taeuber-Arp als moderne Meisterin der abstrakten Kunst durchgesetzt.
Aber noch im 20. Jahrhundert schlug die Abstraktion eher negativ auf sie zurück: Denn sie blieb nach ihrem frühen Unfalltod 1943 ihrerseits lange ein Abstraktum. Ihr Mann Hans Arp und andere Künstler bestimmten, was von ihr und ihren Werken sichtbar sein sollte. Die meist männlichen Erinnerungen hoben vor allem ihre Bescheidenheit und Demut hervor.
Das hat sich inzwischen geändert. Nun kommt sie auch selbst zu Wort: Eine kürzlich erschienene dreibändige Briefausgabe (Nimbus-Verlag) belegt eindrucksvoll, dass Sophie Taeuber-Arp kein schüchternes Anhängsel der Kunstmoderne war. Sie nahm in derselben früh schon eine Schlüsselrolle ein.
Die Briefe sind hauptsächlich an ihre Schwester Erika Schlegel und an Hans Arp gerichtet. Wir lernen Sophie Taeuber-Arp als selbstbewusste Frau kennen. Schon in ihrer Jugend will sie «keinesfalls zu den jungen Mädchen» gehören, «die zu Hause sitzen und strickend u. häkelnd auf einen Mann warten».
Ab 1916 unterrichtet sie an der Kunstgewerbeschule in Zürich, experimentiert als Entwerferin von Anfang an mit geometrischen Formen. Sie lernt den Dadaisten Hans Arp kennen, führt «abstrakte Tänze» zu Lautgedichten auf. Fortan mischt sie eigenständig in der Avantgarde mit, sprengt etwa mit ihrem «Tête Dada», Skulptur und Hutständer in einem, die herkömmlichen Grenzen zwischen Kunst und Kunstgewerbe oder Design.
Allerdings nervt sie sich auch über den zum Teil egomanischen Aktivismus der künstlerischen Radikalinskis, schreibt an Arp: «Es interessiert keinen Menschen, wenn man andauernd so auf seiner Eitelkeit herumhopst.»
Künstlerische Abstraktion muss nicht zwangsläufig zu politischer Abstraktion werden. Im Gegenteil, sie verhilft zu mehr Klarheit und genauerem Hinsehen: Schon 1931 zeigt sich Sophie Taeuber-Arp deprimiert vom Fanatismus der «Hitlergesellschaft», die sich künstlich den Horizont verengt und eine Kriegsatmosphäre schafft. «Sie wollen nichts sehen und hören, was nicht in ihren Kram passt.»