«Jung & Alt»-Kolumne
Staubsaugen, 20 Minuten: 13 Franken – wohin mit der Rechnung?

In der «Jung & Alt»-Kolumne schreibt unser Autor Ludwig Hasler, 78, alternierend mit Samantha Zaugg, Journalistin, 28. Diese Woche erklärt Hasler, wieso er mit allgemeiner Gratisarbeit kein Problem hat.

Ludwig Hasler
Ludwig Hasler
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Staubsaugen ist eine Tätigkeit, die immer noch meist von Frauen erledigt wird.

Staubsaugen ist eine Tätigkeit, die immer noch meist von Frauen erledigt wird.

SGT

Liebe Samantha

Am Sonntag im Basler Stadt-Casino: Schlusskonzert Festival der Jugendchöre. Ergreifend und hinreissend sangen die Jugendlichen der 18 Chöre aus ganz Europa, alle Extraklasse. Und wie sie mitgingen, wenn einem Chor eine Sensation gelang – das Casino bebte, der jugendliche Spirit steckte an, für mich endlich wieder ein richtiges Pfingstfest.

Und jetzt die Kurve zu deinem Brief («Nichts ist gratis im Leben. Ausser der Arbeit der Frauen»): In Basel traten alle GRATIS auf! Auch Männer. Plus 400 Freiwillige. Der Vergleich hinkt? Warum? Weil uns Singen eh schon belohnt? Sicher – und Kinderbetreuung etwa nicht? Oder weil Singen nicht «Arbeit» ist? Ist es schon auch: Arbeit an Technik, am Klang, am Ausdruck, an Perfektion. Oder bleibt Singen Privatvergnügen, wie Schwimmen, ohne gesellschaftlichen Mehrwert? Eine Idee von Schwerhörigen. Wer die jungen Leute aus Georgien, Belgien, Finnland, Polen erlebte, weiss: Sie werden für den Ruf der Schweiz in Europa mehr bewirken als unsere Diplomaten, die unser angeschlagenes Image eifrig aufpolieren müssen.

«Gratisarbeit» gibt es also schon. Überall, wo Menschen besser sind als ihr Ruf. Du kritisierst die Rolle der «Frauenarbeit»: So lebenswichtige Tätigkeiten wie Pflege und Fürsorge gelten pauschal als weiblich und unbezahlbar, trieben Frauen in Abhängigkeit. Ja. War lange so. Es bewegt sich aber nicht nichts. Bei der Enkelin, die grad ein Baby hat, machen Mutter und Vater die Care-Arbeit exakt halbe-halbe. Was genau willst du nun? «Gratisarbeit» verteilen? Oder abschaffen – also lohnpflichtig machen? 20 Minuten Baby stillen = 15 Franken? 1 Stunde Wohnung aufräumen und staubsaugen = 39 Franken? Ende Monat ab die Rechnung – an wen? An den Mann? Den Staat? Die Wirtschaft?

Meine Mutter arbeitete von früh bis spät – nie für sich, stets für uns, die Familie. Dabei war ihr Lebenstraum: selbstständige Schneiderin. Trotzdem, nie wäre ihr eingefallen, Bezahlung zu erwarten. Woher auch? Vom Mann? Sein Lohn lag doch schon in der Familienkasse. Vom Staat? Der war noch nicht in Gönnerlaune. Kennt ihr Jungen nicht, für euch war und ist Geld immer da, Geld für alles, vor allem dafür, dass alle nach eigenem Gusto leben können.

Was mich beschäftigt: Für uns Alte war Familie Privatsache. Heute höre ich vom Kinderhaben oft reden, als wäre es eine gesellschaftliche Grosstat, ein aufopferungsreicher Beitrag zur nationalen Nachwuchssicherung; und der sollte natürlich umso angemessener vergütet werden, je dramatischer die demografische Pyramide kippt und der Fachkräftemangel plagt. Familie im Dienst der Nation. Anständig entschädigt.

Ist das im Sinne der Freiheit, die du meinst?

Ludwig

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