«Auf ein Wort»-Kolumne
Lisme als Männerdomäne

In seiner aktuellen Kolumne erklärt unser Mundartexperte Niklaus Bigler, woher der Ausdruck «Lismete» für Durcheinander stammt.

Niklaus Bigler
Niklaus Bigler
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War früher selten: der strickende Mann.

War früher selten: der strickende Mann.

Bild: Keystone

Eine bekannte Basler Schnitzelbankgruppe nannte sich d Striggede. Südlich des Juras müsste sie Lismete heissen, denn das hochdeutsche Verb stricken ist hier vorwiegend durch lisme vertreten.

Nach den Angaben des Sprachatlasses gilt stricke (strigge) als Dialektwort im Dreieck Basel-Solothurn-Frick und vereinzelt an weiteren Orten, Tendenz zunehmend. Stricke bedeutet im Kern soviel wie binden, flechten, während lisme offenbar mit lesen verwandt ist und somit aufnehmen, sammeln bedeutet: Garnfäden werden mit den Lismernoodle in bestimmter Weise (an)geordnet.

Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein war Stricken keine Freizeitbeschäftigung, sondern die Berufstätigkeit erwachsener Männer. Die Strümpfe, früher auch Hosen genannt, wurden von den «Hosenlismern» gestrickt; an vielen Orten war der Beruf wie andere Handwerke zunftmässig geregelt.

Daneben gab es Lismer wie den Dorfschulmeister von Bätterkinden: Der strickte nämlich, während er den Unterricht erteilte, und der Pfarrer nahm ihn sogar in Schutz, weil sein Schulmeisterlohn allein zum Lebensunterhalt nicht genüge.

Das war vor 350 Jahren. Heute wird bildlich auch ohne Nadeln gestrickt. Gestricktes ist elastisch, darum kann jemand mit eme glismete Maage beim Essen fast unbegrenzt und ohne Beschwerden inebiige. Er lismet mit de Bei sagt man von einem, der beim Gehen die Füsse verdreht; es het ne glismet, besagt, dass er gestürzt ist.

Die Lismete schliesslich bezeichnet einfach ein Durcheinander. Das Durcheinander von Fäden und Nadeln bei einer Strickarbeit ist aber ein oberflächlicher Eindruck – aus der Sicht von Männern halt, die das Lisme nicht verstehen.

Niklaus Bigler war Redaktor beim Schweizerdeutschen Wörterbuch (idiotikon.ch).