Sibylle Wälty: Ja, und die Folge sind hohe Mieten. Denn die Nutzungsplanungen der Städte schaffen kaum Voraussetzungen, damit genügend Wohnraum entstehen kann. In Zürich liegt das Verhältnis 1 zu 1 zwischen Einwohnern und Beschäftigten. Zahlbarer Wohnraum kann aber nur entstehen, wenn auf einen Beschäftigten zwei Einwohner kommen, da ja nie alle Bewohner einer Stadt arbeiten. Zürich fehlen theoretisch 300'000 Einwohner für den lokalen Arbeitsmarkt.
Nein, die Städte müssten ihren Boden nur tatsächlich haushälterisch nutzen, so wie es das Raumplanungsgesetz bereits heute vorsieht. Um das zu erreichen, müssen die Faktoren, welche Einfluss auf den Bodenverbrauch haben, in die Planung miteinbezogen werden.
Zum Beispiel die Nähe zu Arbeitszentren und zu einer gut bedienten öV-Haltestelle. Ausserdem wie schon gesagt ein unausgewogenes Verhältnis zwischen Einwohnern und Beschäftigten und drittens ungenügende Nutzungsdichten, also die Anzahl Einwohner und Beschäftigte pro 0,5 km Radius. Das heisst: Es muss dort gebaut und verdichtet werden, wo die Infrastruktur schon vorhanden ist, nicht in der Peripherie. Und die Siedlungen müssen kompakter sein: Auf Flächen mit einem Radius von 0,5 km, in deren Zentrum eine öV-Haltestelle steht, sind mindestens 10'000 Personen anzusiedeln. In einer durchschnittlich 6-geschossigen Struktur wären sogar über 50'000 Einwohner bei über 25'000 Beschäftigten möglich – und bis in 100 Jahren vielleicht in Zürich auch notwendig.
Die Lösung kann ja wohl nicht sein, dass man stattdessen dort baut, wo es keiner braucht! In Paris beispielsweise ist die Ungleichheit zwischen Arbeitsplätzen und Wohnraum eben noch grösser. Deshalb muss man jetzt beginnen, darauf zu achten, dass dort, wo Arbeitszentren sind, auch gewohnt werden kann. Das Leben in Städten ist aber gar nicht so viel teurer, wenn man sich all die Transportkosten sparen kann.
Nein, heute gelten in den meisten Nutzungsplänen Grenzabstände, Ausnützungs- und Höhenbeschränkungen, die das nicht zulassen.
Der Boden wird vor allem dann teurer, wenn man an zentralen Lagen nicht genügend Nutzungsdichte zulässt. Unabdingbar ist es, einen Teil des Geldes, das die Eigentümer durch die zusätzlich bewilligte Wohnfläche erwirtschaften, als Lenkungsabgabe abzuschöpfen. Dieses Geld muss in der Nachbarschaft bleiben und kann zum Beispiel zur Schaffung von Schulraum verwendet werden.
Das Raumplanungsgesetz verlangt eine Abgabe für Einzonungen zum Ausgleich von Nachteilen seit bald 40 Jahren. Einige Kantone haben sich trotz der am 1. Mai dieses Jahres abgelaufenen Umsetzungsfrist noch nicht auf eine Mehrwertabgabe einigen können. Der Kanton Basel kennt seit bald 50 Jahren eine Abgabe auf Ein- und Aufzonungen. Jedoch tut man sich auch dort schwer, Rahmenbedingungen für genug Wohnraum zu schaffen.
Ja, sonst hätten wir ja heute das Problem der Wohnungsknappheit in Städten nicht. Nicht jeder hat Lust, abhängig von Auto oder öffentlichem Verkehr zu sein. Die Bewohner im für Schweizer Verhältnisse sehr dichten Gebiet um den Zürcher Idaplatz geben an, dass sie ihre Strecken von zu Hause aus irgendwohin hauptsächlich zu Fuss zurücklegen und weniger als 10 Prozent mit dem Auto.
Nein, so was kann kaum mehr gebaut werden, aber nicht weil es zu teuer wäre, sondern weil die Bau- und Nutzungsordnungen eine Kompaktheit kaum zulassen. Seit 2005 hat sich der Preis der bebauten Grundstücksfläche dort mehr als verdoppelt! Die Zunahme der Baukosten in den letzten 15 Jahren um 15 Prozent fällt da vergleichsweise wenig ins Gewicht.
Man könnte vielerorts die historisch kleinteilige Parzellenstruktur beibehalten oder bei zur Umnutzung frei gewordenen Areale kleinteiliger parzellieren. Das könnte ein Zugeständnis in den Verhandlungen mit den Eigentümern sein.
Wenn nicht nur der Nachbar mehr bauen darf, sondern jeder, dann ändert die Einstellung. Dies ist eines der Hauptprobleme der heutigen Praxis mit Arealplanung. Wer innerhalb des Perimeters liegt, gewinnt, und wer ausserhalb liegt, hat das Nachsehen. Es braucht eine Quartier-weite Betrachtung, in der die Anwohner in den Transformationsprozess einbezogen werden. Es muss aufgezeigt werden, dass wir als Gemeinschaft profitieren und es gesellschaftlich, ökologisch und auch ökonomisch sinnvoll ist, wenn wir zusammenrücken. Nur so kann auch das Land vor einer Überbauung geschützt werden. Mit der Revision des Raumplanungsgesetzes 2014 haben wir ja entschieden, dass wir das wollen.