Forschung
Muskelerkrankte können hoffen: Ein «Shirt» wird zum künstlichen Muskel für den Oberkörper

Menschen mit Muskelerkrankungen und Rückenmarksschäden können auf eine Entwicklung der ETH Zürich hoffen. Mit künstlicher Intelligenz gewinnen sie Bewegungsfähigkeit zurück.

Bruno Knellwolf
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Eine Probandin testet das Myoshirt der ETH Zürich.

Eine Probandin testet das Myoshirt der ETH Zürich.

Bild: Florian Haufe / ETH Zürich

Ein Rückenmarksschaden schränkt die Bewegungen eines Menschen ein. Das macht auch die Bethlem-Miopathie, eine seltene Muskelerkrankung. An dieser leidet Michael Hagmann, der die fehlende Muskelkraft in den Armen mit Ausweichbewegungen kompensiert und deshalb weiter körperliche Probleme bekommt.

Weste mit Manschetten

Helfen könnte ihm deshalb die neuste Entwicklung des Sensory-Motor Systems Lab der ETH Zürich. Dort haben die Forscher ein Myoshirt entwickelt. Dieses «Shirt» ist ein weicher tragbarer Exomuskel für den Oberkörper. Dieser künstliche Zusatzmuskel besteht aus einer Art Weste mit Manschetten für die Oberarme und einem kleinen Kasten, in dem die Technik für die Bewegungshilfe steckt, die nicht unmittelbar am Körper gebraucht wird.

Algorithmus erkennt die gewünschten Bewegungen

Mit dabei ist viel künstliche Intelligenz, denn ein Algorithmus erkennt mithilfe von Sensoren im Stoff des Myoshirts, was für eine Bewegung die Trägerin ausführen will. Ein Motor verkürzt daraufhin ein im Stoff parallel zu den Muskeln verlaufendes Kabel und unterstützt so die Bewegung.

Das Kabel ist eine Art künstliche Sehne. Der in seinen natürlichen Bewegungen eingeschränkte Nutzer verliert nie die Kontrolle über das Gerät und kann dieses jederzeit übersteuern. Der Exomuskel kann sich nicht verselbständigen.

Erfolgreiche Tests mit zwölf Personen

Michael Hagmann war mit seiner Muskelschwäche einer von zwölf Probanden, welche das Myoshirt für die ETH testeten. Zur Gruppe gehörten zudem zehn gesunde Personen und eine mit einer Rückenmarksverletzung. Die Resultate waren gemäss der ETH vielversprechend. Alle konnten ihre Arme und auch Gegenstände sehr viel länger haben als ohne Myoshirt. Bei Hagmann erhöhte sich die Ausdauerzeit um 60 Prozent, die Person mit der Rückenmarksverletzung konnte sogar drei Mal so lang durchhalten.

Noch ist das Myoshirt erst ein Prototyp. Das Gerät muss noch kleiner und leichter werden, um unter der Kleidung getragen werden zu können. Die Forscher arbeiten zudem mit dem ETH-Spin-off MyoSwiss zusammen, das ein weiches Exoskelett, einen Roboteranzug zur Unterstützung der Beine herstellt.