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Leben
Was auf dem Fussballplatz klappt, muss doch auch daneben funktionieren. Wirklich?
Wir kennen «Seneca für Manager» oder die «Selbstbetrachtungen» des römischen Kaisers Mark Aurel. Viele halten Aussprüche, die Albert Einstein zugeschrieben werden («Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.») für hilfreich, sein eigenes Leben zu gestalten. Zitate von erfolgreichen Wirtschaftsführern sind beliebt. Frauen und Männer, die es geschafft haben, verfügen offenbar über einen Vertrauensvorschuss auch in Sachen Lebenshilfe.
Fussballtrainer? Der Sportjournalismus ist nicht zurückhaltend und macht die Coaches oft zu «Magiern». Anders ist der Erfolg offenbar nicht zu erklären. Jetzt hat ein englischer Journalist aus dem sehr erfolgreichen Liverpool-Trainer Jürgen Klopp einen Lebensberater gemacht. «Alles top mit Jürgen Klopp. Taktiken für jede Lebenslage» (Knaur München 2020).
Der englische Titel sagt mehr, klingt aber vielleicht nicht so gut: «What Would Jurgen Klopp Do? Life Lessons from a Champion.» (Was würde Jürgen Klopp tun? Lektionen fürs Leben von einem Champion.)
Ob Tom Victor selbst alles glaubt, was er dem Wundermann zubilligt? Er schreibt im Vorwort, Lebensweisheiten eines Fussballtrainers hätte früher kaum einer ernst genommen – bis Jürgen Klopp kam. Der Übertritt von Borussia Dortmund zu Liverpool (oder wie nennt man das, wenn ein Deutscher in England Fuss fasst?) wird salopp erklärt:
Es ist nun mal einfach unmöglich, Jürgen Klopp zu hassen.
Früher wäre dergleichen ohne Hinweis auf «Hunnen» und die Luftschlacht um England nicht gegangen.
Die Situationen, für die Tom Victor «Nicht verzagen, Klopp fragen» empfiehlt, sind bekannt (Der Sohn ist verliebt, traut sich aber nicht; oder: Das Bewerbungsgespräch), manchmal skurril (Was tun, wenn dir im Kino eine Horde verhaltensauffälliger Jugendlicher den Genuss versaut? Oder: Dein dreiköpfiges Team wurde für einen Award nominiert, ihr bekommt aber nur zwei Eintrittstickets für die Feier?)
Das Buch ist unterhaltsam. Aber auch eine Heiligengeschichte, die aus dem Choleriker (Ich stellte einmal eine Bildergalerie des wutentbrannten zähnefletschenden Klopp zusammen, um Verhaltensauffälligkeiten bei Primaten zu illustrieren) einen über allen Widrigkeiten schwebenden Engel macht.
Klopp wurde bekannt, weil er aus den nicht überbezahlten und überbegabten Kickern des SV Mainz eine bundesligataugliche Truppe machte. Wobei er dankbar Wolfgang Frank als Inspirator erwähnt; einen Trainer, total fussballbesessen, im Auftreten aber eher nachdenklichen Typs, der die ersten Schritte als Spielertrainer beim FC Glarus macht und bei Aarau und Wettingen wirkt. Die Viererkette habe er aus der «damals fortschrittlichen Schweiz» nach Deutschland gebracht, schreibt die Presse.
Klopp ist locker, charmant, schlagfertig, nimmt nicht alles bitterernst, vor allem aber gilt er als charismatische Führungsfigur, der die Spieler besser macht, als sie sind, und vor allem als Teambuilder grossen Respekt geniesst. «Das Menschliche» ist es, das Tom Victor fasziniert. Die Umarmungen, die Klopp zelebriert, die lockeren Sprüche und hin und wieder ein paar exzentrische Verhaltensweisen.
Man erinnert sich, wie nach den grossartigen Erfolgen die Mannschaft von Borussia Dortmund einfach nicht auf Touren kam und unten auf der Tabelle dümpelte.
Klopp wurde nicht entlassen, aber es muss schwer gewesen sein für ihn. Oben halten geht nicht immer so leicht wie nach oben bringen. Vielleicht kann er bei Liverpool abliefern, was bei Dortmund nicht ganz glückte. Denn oben sind die Reds.