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Kultur
Beim Eröffnungskonzert der «Klassik-Sterne» in Rheinfelden waren der Trompeter Sergei Nakariakov und die Cappella Gabetta zu Gast.
Es ist Winter – die Hustenfrequenz im Publikum zeigt es deutlich. Und der Winter in Vivaldis «Vier Jahreszeiten» gelang Andrés Gabetta und den Musikern seiner Cappella auch am besten. Wenn es draussen so klirrend kalt ist, traut man sich, die zähneklappernden Ponticello-Klänge des Beginns noch fahler und tonloser zu spielen. Mit aller Schärfe fahren die Sturmwinde der Sologeige da hinein. Die Wärme des behaglichen Kaminfeuers im lyrisch singenden Mittelsatz wirkt danach umso wohltuender bis wieder horrend schnelle Geigen-Girlanden von eleganten Eisläufern und tobenden Winterstürmen erzählen.
Was virtuose Tempo-Steigerungen und Vivaldi-Bravour betrifft, ist der Solist Andrés Gabetta ganz in seinem Element, und auf seine Mitmusiker, insbesondere den überaus lebendig artikulierenden Solocellisten, kann er sich verlassen. Etwas weniger aber offenbar auf seine Bogentechnik: Immer wieder entgleiten ihm einzelne Töne, verliert er kurz den Kontakt zwischen Bogen und Saite. Erstaunlich ist es schon, wie ein derart hoch gehandelter Künstler sich so wenig um die Feinheiten seiner Tongebung kümmert. Offensichtlich ist ihm die Geste, die Klangrede, das beredte Ausformen der musikalischen Phrasen sehr viel wichtiger, und das führt auch dazu, dass man ihm stets gerne zuhört und mit Interesse verfolgt, wie er mit dezidierten Akzenten oder neckischen Verzierungen, da und dort mit ein bisschen intensivierendem Vibrato und mit einer sehr aktiven Tempo-Dramaturgie diese Klassik-Hits zum Leben erweckt.
Diesen Publikumslieblingen stand Musik gegenüber, die man kaum oder nie hört – eines der Markenzeichen von Andrés Gabetta und seiner Cappella. Nur selten hört man das Trompetenkonzert von Johann Baptiste Georg Neruda, einem aus Böhmen stammenden Musiker, der an der berühmten Hofkapelle in Dresden eine Anstellung fand. Solist in diesem eher einfach gestrickten Konzert war der russische Trompeter Sergei Nakariakov. Wahlweise wird er als der «Paganini der Trompete» oder der «Caruso der Trompete» bezeichnet, je nachdem ob man lieber seine stupende Virtuosität oder den wundervoll warmen Ton seines Spiels betonen will. In diesem Konzert von Neruda war nun eher der Caruso gefragt: In vorklassisch-galantem Stil schickt der böhmische Komponist in allen drei Sätzen den Solisten auf gesangliche Höhenflüge. Die Harmonik ist einfach, die Streicherbegleitung schlicht, die Melodiebögen sind dem menschlichen Atem angepasst. Eine ideale Plattform für den Trompeter aus Gorki, um seine wirklich berückend warmen und weichen Trompetenklänge auszupacken und die Melodielinien wie ein Sänger zu modellieren.
Aber was ein richtiges Konzert ist, hat auch eine Solokadenz – dieses sogar zwei – und da liess es sich Nakariakov dann doch nicht nehmen, schwindelerregend schnelle Skalen und Arpeggien aus seinem Instrument zu zaubern – bis ihn plötzlich ein technisches Problem an seiner brandneuen Trompete fast aus der Bahn warf. Aber nur fast: Mit der Routine eines erfahrenen Artisten rettete sich Nakariakov vor dem Absturz und spielte das Konzert bravourös und nun pannenfrei zu Ende.
Noch mehr singen durfte Nakariakov bei seinem zweiten Solo-Auftritt, diesmal nicht mit der Trompete, sondern mit dem Flügelhorn, das sehr viel wärmer und runder klingt und tiefere Töne erreicht. Nakariakov demonstrierte diese Qualitäten in Bachs berühmtem «Air», in dem er jeweils in der Wiederholung die Partie der ersten Geigen übernahm, und in einem vom Cello übernommenen Vivaldi-Konzert. Ein poetisches und nachdenkliches Werk in Moll und damit wie geschaffen für diesen Sänger auf den goldenen Trompeten-Instrumenten.
Wiederholung am 9. Dezember in der Basler Martinskirche.