Premiere
Zwei Supergirls, «tupfegenaugliich»: Das Figurentheater St. Gallen spielt «Das doppelte Lottchen», jetzt auch öffentlich

Erstmals führt Oliver Kühn Regie im Figurentheater St. Gallen. In seiner Version des Kinderbuchklassikers von Erich Kästner kommen Luise und Lotti aus Basel und St. Gallen und sind eine Wucht – als Puppen und in Lebensgrösse.

Bettina Kugler
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Ferienlagerwonne für Luise und Lotti: Sie haben entdeckt, dass sie Zwillinge sind. Eliane Blumer und Nathalie Hubler spielen Erich Kästners Klassiker im Figurentheater St. Gallen.

Ferienlagerwonne für Luise und Lotti: Sie haben entdeckt, dass sie Zwillinge sind. Eliane Blumer und Nathalie Hubler spielen Erich Kästners Klassiker im Figurentheater St. Gallen.

Bild: Regina Jäger

Hat das Wünschen für einmal doch geholfen, wie in märchenhaften Zeiten. Im März schon sollte offiziell Premiere sein; fast pünktlich kam dann «Das doppelte Lottchen» am Figurentheater St. Gallen heraus, mit Eliane Blumer und Nathalie Hubler als frischgebackenes, bald unzertrennliches Zwillingspaar Luise und Lotte. Allerdings vorerst nur hinter verschlossenen Türen. Im März waren lediglich Schulvorstellungen erlaubt; nun ist der Mai gekommen: Höchste Zeit, Kästners wunderbaren Klassiker aus den 1940er Jahren für alle zu spielen.

Die Vorlage ist ein «Problembuch» über das Los von Scheidungskindern, voller überraschender Wendungen und Irritationen. Zugleich aber auch ein fiebriger Spass, tolle Unterhaltung. Wer möchte nicht gern einmal die Rollen tauschen, ins bislang unbekannte Leben eines anderen Mädchens schlüpfen, das noch dazu die Zwillingsschwester ist? In Oliver Kühns Textfassung und Inszenierung sind Luise und «Lotti» ziemlich taffe Supergirls; sie singen, tanzen, albern herum und: Sie kommen neuerdings aus Basel und St. Gallen. Eine Ostwestliebe fast auf den ersten Blick ­– das macht die Dialoge noch vergnüglicher.

Wilde Locken, leise Töne und zwei Spielerinnen, die sich perfekt ergänzen

Frauke Jacobi, Markus Brutschin und Susi Rüttimann haben das rund 70-minütige Stück für Menschen ab 7 effektvoll ausgestattet: Die Zwillinge leuchten in Gelb und Rot, Luise bekommt eine herrlich wilde Lockenpracht. Zwei Rollcontainer mit Schubladen erlauben schnelle Szenenwechsel und lassen sich vielseitig nutzen. Etwas klein geraten sind die Figuren; es empfiehlt sich, möglichst weit vorn zu sitzen – oder sich eben in die Mädchen einzufühlen. Leise Töne nämlich haben durchaus Platz im Powerplay der beiden Spielerinnen, Stefan Suntinger schlägt sie auch in der Musik zum Stück an.

Mögen Eliane Blumer und Nathalie Hubler in Wirklichkeit auch keineswegs «tupfegenaugliich» aussehen, auf der Bühne ergänzen sie sich bestens; der kleine Unterschied macht ihr Zusammentreffen in der neuen Eigenproduktion des Figurentheaters St. Gallen erst richtig witzig. Noch ein Grund mehr, anschliessend dieses alte, verblüffend jung gebliebene Buch wieder einmal aus dem Regal zu holen und vorzulesen.

Premiere Mittwoch 12. Mai, 14.30 Uhr, Figurentheater St. Gallen. Weitere Vorstellungen: 19./23.5., 14.30 Uhr, 22.5., 19 Uhr. Tickets unter figurentheater-sg.ch