Figurentheater
Vom Liebesgeschichten-Institut ins Plastikmeer: Das Figurentheater St.Gallen startet die Saison mit Romeo, Julia und Petty, der Einwegflasche

Mit der berühmtesten aller Liebesgeschichten und einem Weltverbessererstück läutet das Figurentheater St.Gallen die neue Saison ein. Das Programm soll auch Jugendliche für das Puppenspiel begeistern.

Kathrin Signer
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Frau Jacobi und Stephan Zbinden leiten das Figurentheater St.Gallen.

Frau Jacobi und Stephan Zbinden leiten das Figurentheater St.Gallen.

Foto: Tobias Garcia

Geduldig hält Maskottchen Filou im Schaufenster des kleinen Bistros im Figurentheater St.Gallen die Stellung. Zu erzählen hat er sicher viel, wenn Frauke Jacobi ihn im September zum Leben erweckt, unter sein blaues Hemdchen schlüpft und dem drolligen Kerl ihre Stimme schenkt. Filou wird sogar befördert: Er darf neu nicht nur Märchen erzählen, sondern moderiert ab September das Geschichtenkaffee, das auf der kleinen Bühne im Bistro stattfinden wird.

Eröffnet hat das Café unter dem Figurentheater schon im vergangenen September, dann wurde die Tür zu Filou und seinen Puppenfreunden mit dem Lockdown erneut zugesperrt –« jetzt weiss ich nicht mal mehr, wie die Kaffeemaschine hier funktioniert», sagt Frauke Jacobi.

Gemeinsam leiten Frauke Jacobi und Stephan Zbinden seit 2014 das Figurentheater. Ein Beinbruch sei die Coronapandemie für das Theater nicht gewesen - wenn auch eine Geduldsprobe. Sie hätten sich auf Projekte konzentriert, die sonst immer auf die lange Bank geschoben wurden: Das leuchtende Rot des Theaterraums wurde aufgefrischt, ein zeitgemässes Werbekonzept entwickelt und drei Kurzfilme gedreht. Am schwierigsten sei gewesen, die Künstlerinnen und Künstler bei Laune zu behalten:

«Man muss aufpassen, dass man an der Leidenschaft festhält und nicht müde wird von der ewigen Warterei.»

Auch Jacobi und Zbinden fragen sich, ob ihr Publikum nach der Kulturabstinenz zurück ins Theater kommt. Die enge Zusammenarbeit mit den Schulen verschafft dem Figurentheater aber ein sicheres Standbein.

Ungewöhnlich viele Eigenproduktionen stehen diese Saison auf dem Programm. Das sei aber mehr eine pragmatische als eine konzeptionelle Entscheidung gewesen: Mit lokalen Künstlern zu arbeiten und die Stücke selbst zu produzieren sei im Moment einfacher und sicherer. Grundsätzlich wollen die Theaterleiter auch weiterhin auf internationalen Austausch und Vernetzung mit der freien Szene setzen:

«Das Programm soll eine Kombination von festen Grössen und frischem Wind sein.»
«Wir leiern nicht den Shakespeare herunter», sagt Jacobi über ihre Version von «Romeo und Julia».

«Wir leiern nicht den Shakespeare herunter», sagt Jacobi über ihre Version von «Romeo und Julia».

Bild: Sebastian Ryser

Wie schon in den vergangenen Jahren sieht ihr Konzept nicht nur Puppentheater für die Kleinen vor, sondern will die Jugendlichen ins Boot holen: Gerade ihre neue Produktion «Romeo und Julia» soll Schülerinnen und Schüler ab 12 Jahren ansprechen. Der Klassiker unter den Liebesgeschichten kommt aber in einem neuen Gewand daher: «Wir leiern nicht den Shakespeare herunter», sagt Jacobi.

Auf Recherche im Institut für Liebesgeschichten

Statt im Verona des 16. Jahrhunderts siedelt das Figurentheater ihre Version im «Institut für anrührende Liebesgeschichten» an: In der Abteilung «Romeo und Julia» wird alles aufbewahrt, was mit dem berüchtigten Liebespaar zu tun hat, vom Schüleraufsatz bis zum Sehnsuchtsseufzer der Julia-Darstellerin. Im Mittelpunkt der Handlung stehen fünf Charaktere aus Vergangenheit und Gegenwart, die sich mit der Liebe auseinandersetzen. Regie führt der St.Galler Sebastian Ryser, dessen Vater Tobias Ryser vor Jacobi und Zbinden viele Jahre das Figurentheater geleitet hat. Die Produktion ist Sebastian Rysers Abschlussarbeit des Studiums in zeitgenössischer Puppenspielkunst an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin.

Eliane Blumer erzählt in «Petty Einweg» die Geschichte einer Einwegflasche.

Eliane Blumer erzählt in «Petty Einweg» die Geschichte einer Einwegflasche.

Bild: Stefan Zbinden

Mit einem weniger anrührenden, aber mindestens so dringlichem Thema beschäftigt sich das Klassenzimmerstück «Petty Einweg». Eine Einwegpetflasche erzählt darin ihre ernüchternde Lebensgeschichte: Petty erfüllt in nur fünf Minuten ihren Lebenssinn, wird ausgetrunken, landet dann auf einer Deponie und schliesslich im Meer. «Die Flut an Plastikmüll ist etwas, das junge Leute sehr beschäftigt», sagt Jacobi. «Wir wollen aber nicht den moralischen Zeigefinger heben, sondern spielerisch an die Problematik heranführen», ergänzt Zbinden.

Die Premiere von Romeo und Julia findet am 17. September um 19 Uhr statt. Weitere Spieldaten: 18./19./24.9.