In Wald im Zürcher Oberland tut sich was. Mit einem dreitägigen Festival im Gartenpark der herrschaftlichen Villa Flora fällt Anfang September der Startschuss für eine Heimstätte des CH-Rock.
Wir kennen das Swissjazzorama in Uster sowie das Rock- und Popmuseum in Niederbüren, aber ein Haus, das sich ausschliesslich dem Schweizer Rock, seiner Geschichte und seiner Entwicklung widmet, gibt es bis heute noch nicht. Das soll sich jetzt ändern. Anfang September, am Wochenende vom 2. bis 4. September, findet im lauschigen Gartenpark der stattlichen Villa Flora ein dreitägiges Festival (siehe unterstehenden Artikel) zu Ehren des Schweizer Rock statt. Es ist der Startschuss für den Förderverein CH-Rock.
Zweck des Vereins ist der Erhalt, die Dokumentation und die Förderung des Schweizer Rock in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Dazu gehören auch regelmässige Konzerte von Schweizer Musikern und Bands in der Villa wie im Park.
Initiant und Ideengeber ist der 68-jährige Unternehmer und Bauleiter von historischen Liegenschaften Fritz Maurer, der die Villa Flora vor zwei Jahren mit seinem Sohn Severin erworben hat. Im Rockverein unterstützt wird Maurer vom Plattenhändler Fabian Hamzian, 40, aus Gutenswil sowie vom Betreiberteam Flora Events mit der 32-jährigen Rahel Siegrist. Am Festival Anfang September geht es auch darum, interessierte Mitglieder für die Sache des Schweizer Rock zu gewinnen.
Die Villa Flora wurde zwischen 1869 und 1871 in spätklassizistischem Stil als standesgemässes Wohnhaus des Fabrikanten Johannes Honegger gebaut. Die Gemeinde Wald entwickelte sich damals von einer für das Zürcher Oberland typischen protoindustriellen Gemeinde mit Heimarbeit zu einem bedeutenden Standort der Textilindustrie, zum «Manchester des Kantons Zürich». Johannes Honegger betrieb eines der grössten Textilareale der Schweiz. Die Villa Flora blieb im Besitz der Familie, bis sie 2019 zum Kauf ausgeschrieben wurde.
Der in Rüeschlikon wohnhafte Fritz Maurer hat die Villa, in der noch fast alles im Originalzustand ist und seit 1979 denkmalgeschützt ist, restauriert und verschiedene Nutzungen ausprobiert, darunter auch kleinere Konzerte und eine Vinyl-Börse. Auf die Idee mit dem CH-Rock-Verein ist er bei der Lektüre des Buches «Schweizer Rock Pioniere» von Stefan Künzli gekommen.
Maurer ist eine Leseratte, ein leidenschaftlicher Vinylsammler, der sich in seiner Jugendzeit mit der Schweizer und internationalen Rockmusik beschäftigt. «Rock hat mich im Alter von 15 Jahren gepackt, als mir ein Schulkollege zwei Platten von Led Zeppelin auslieh», sagt er über sein Schlüsselerlebnis. Zu seinen Lieblingsbands gehören weiter The Doors, Free, Ten Years After, Jethro Tull und King Crimson, aber auch Schweizer Bands wie Krokodil und aktuelle Schweizer Rockbands. Mit Fabian Hamzian teilt er die Begeisterung für den Schweizer Rock. Dieser ist auch ein Kenner von Elvis Presley und dem Rock’n’Roll der 1950er-Jahre.
Im Parterre der Villa Flora ist Barbetrieb vorgesehen sowie kleinere Konzerte in der kalten Jahreszeit. In der Gartenanlage finden die grösseren Konzerte und das Startfestival im September statt. «Ziel ist es, dass wir mindestens einmal pro Monat Konzerte durchführen», sagt Hamzian. Der erste Stock der Villa ist der Geschichte des Schweizer Rock gewidmet. «Geplant ist ein historischer Zeitstrahl von den Anfängen des Schweizer Rock bis in die Gegenwart», sagt Maurer. Während des Startfestivals sind Videos und visualisierte Musikbeispiele zum Buch «Schweizer Rock Pioniere» zu sehen.
Im Juli hat der in Wald wohnhafte Rock- und Poppionier Toni Vescoli im Gartenpark ein Konzert zu seinem 80. Geburtstag gegeben. Ein wunderbarer Testlauf in stimmungsvoller Atmosphäre. So Maurer:
«Es war ein voller Erfolg und hat uns noch mehr motiviert.»
Zu diesem Anlass haben Maurer und Hamzian in der Villa ein Vescoli-Zimmer mit unzähligen Bildern und Plattencovern aus der langen Karriere von Toni Vescoli eingerichtet. «Diese Zimmer sind als Hommage für die auftretenden Bands und Künstler gedacht», sagt Hamzian. Vorgesehen sind solche Zimmer auch für andere wichtige Bands der Schweizer Rockgeschichte wie Krokodil, Gotthard oder Krokus.
Schweizer Rock Pioniere und Rock aus dem Raum Zürich
Das erste Festival Villa Flora ist der Pionierzeit des Schweizer Rock gewidmet. Angeführt wird das Line-up von Krokodil, der bedeutendsten Schweizer Band aus der Frühphase des Rock. Vor zwei Jahren wurde sie neu formiert und um Sänger und Gitarrist Adi Weyermann sowie Keyboarder Erich Strebel ergänzt. Von der Ur-Formation ist neben Schlagzeug-Legende Düde Dürst noch der Bassist Terry Stevens dabei. Im letzten Jahr wurde die neue Platte «Another Time» veröffentlicht.
Ein besonderer Leckerbissen ist die Solothurner Band Remember Thomy, die in diesem Jahr in Gedenken an den früh verstorbenen ersten Lead-Gitarristen von Krokus, Thomy Kiefer, gegründet wurde.
Mit dabei sind unter anderen Rock-Pioniere wie die Gitarristen Marko Dermelj (Kaktus) und Pierre-Alain Kessi (Aftershave) sowie der Keyboarder Ben Jeger. Marcel «Jimi» Aeby ist der grösste Kenner, Verwalter und Interpret von Gitarrengott Jimi Hendrix in der Schweiz. Mit seiner Band More Experience ist der Gitarrist und Sänger seit Jahrzehnten im In- und Ausland unterwegs. Die wahrscheinlich beste Hendrix-Coverband der Welt darf man nicht verpassen.
Der Sonntag wird von Düde Dürsts neuer Band Flaming Pie eröffnet. Mit Adi Weyermann und Thomy Jordi interpretiert die Band Beatles-Songs im Format eines Powertrios à la Cream. Daneben werden am Sonntag vor allem die Mundart-Rock-Pioniere gewürdigt. Ein Phänomen ist die Berner Hippieband Span. Die Mundart-Rock-Band der ersten Stunden ist nach bald 50 Jahren immer noch gefragt.
Neu formiert hat sich die Band Rumpelstoff mit Sänger Levi Bo, Stefan Künzli und dem langjährigen Polo-Hofer-Gitarristen Marc Gerber. Das Trio hat sich des Repertoires von Rumpelstilz angenommen und interpretiert die Songs auf ganz eigene Weise. In Wald mit dabei ist auch Ur-Stilz Küre Güdel an den Bongos und am Gesang.
Das Festival beginnt am Freitag um 18.00 Uhr mit Zürcher Rockbands. Last Avenue besteht seit 2006, ist tief in den 1970er-Jahren verwurzelt und spielt «Hippie & Classic Rock». Die 27-jährige Nina Valotti setzt auf schweizerdeutsche Texte und ihre starke Stimme. Züritütsch ist auch die bevorzugte Sprache von audiodelikt, der sechsköpfigen Band, die 2014 den kleinen Prix Walo gewonnen hat.
Villa Flora Music Festival, Wald/ZH, 2.–4. September. Tickets sind über Eventfrog erhältlich.