Pop
Vom Sexsymbol zum Pantoffelheld: Robbies Fans bleiben trotzdem treu

Der britische Sänger und Entertainer lockt heute trotz Imagewechsel und sinkenden Verkaufszahlen 48000 Fans nach Zürich. Seine Fans bleiben Robbie Williams treu. Live bleibt er eine Macht, wenn auch keine Weltmacht.

Stefan Künzli
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Die vielen Gesichter des Robbie Williams
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Wiedervereint mit Takte That in 2011
Robbie, der Abräumer
2005 bei «Wetten, dass..»
Robbie, der Entertainer
Robbie, der Frauenschwarm
Robbie Williams in Aktion (Archiv) Robbie Williams in Aktion (Archiv)

Die vielen Gesichter des Robbie Williams

Keystone

Es war eine Kampfansage: «Ich will es mit jedem aufnehmen, der sich mir in den Weg stellt und mir den Platz auf dem Thron der Popwelt streitig machen will», kläfft Grossmaul Robbie Williams bei der Veröffentlichung seines aktuellen Albums im November und nannte es gleich «Take The Crown». Die Gelegenheit schien günstig, denn nach dem Tod von Michael Jackson war der Thron des King of Pop verwaist. Nicht zuletzt auch, weil Prince und Justin Timberlake ihre königlichen Ambitionen zwischenzeitlich zurückgestellt hatten.

Mit «Take The Crown» wollte Robbie Williams auch gleich seine ins Stocken geratene Karriere wieder in Gang bringen. Tatsächlich sind seine grössten Hits wie «Angels» (1997), «Let Me Entertain You» (1998), «Something Stupid (2001) und «Feel» (2002) vor über zehn Jahren geschrieben worden. Die weltweiten Verkaufszahlen für seine Alben sind denn auch seit 2002 kontinuierlich zurückgegangen.

Es hat nicht geklappt. «Take The Crown» hat zwar in vielen Ländern standesgemäss Platz 1 erobert, konnte sich aber nicht lange in den Charts halten. Vor allem konnte das Album den Rückgang der weltweiten Verkaufszahlen von 7,5 Mio. im Jahr 2002 auf heute gut eine Million nicht stoppen. Ein Rückgang, der nicht einfach mit der allgemeinen Krise der Tonträgerindustrie zu erklären ist. Denn andere Solo-Künstler wie Justin Timberlake und Bruno Mars weisen mit ihren aktuellen Alben höhere Verkaufswerte auf als der britische Superstar.

Der Muster-Papa mit seinerTochter Theodora. twitter

Der Muster-Papa mit seinerTochter Theodora. twitter

Ist Robbie Williams grosse Zeit vorbei? Hat der einst sympathische Lausbub, der schelmische Charmeur und spöttische Lebemann seine Anziehungskraft und Ausstrahlung verloren? «Alle wollen mit dem Weltstar ins Bett», schrieb «Blick» auf dem Höhepunkt der Robbie-Mania. Sie liebten ihn trotz oder gerade wegen der Alkohol- und Drogenexzesse sowie der Bettgeschichten.

Heute hat er sich von diesem lasterhaften Leben distanziert und vom Rock-’n’-Roll-Lifestyle ist nicht mehr viel geblieben. «Ich bin ein Familienmensch. Ich wechsle die Windeln und gehe zum Mutter-Kind-Kurs, liess er «Bild» notieren und markiert den Muster-Papa. Ein paar Monate im Jahr spielt Robbie den Superstar, die restliche Zeit ist er zuhause bei seiner Familie, geht nie aus und schaut mit seiner Frau Ayda Fernsehen. Robbie, der bürgerliche Spiesser?

Robbies grösste Rivalen

Justin Timberlake und Bruno Mars sind heute die schärfsten Konkurrenten von Robbie Williams im Kampf um die Pop-Krone. Der 32-jährige Timberlake, der wie Williams (Take That) seine Karriere bei einer Boygroup (*NSYNC) startete, galt schon in den frühen 2000er-Jahren als das amerikanische Pendant zum britischen Superstar. Nach dem Hit-Album von «FutureSex/LoveSounds» (2006) wechselte er aber überraschend und mit ansprechendem Erfolg ins Schauspielfach und dachte sogar laut darüber nach, seine Sängerkarriere an den Nagel zu hängen. Mit «The 20/20 Experience» hat Justin Timberlake im März ein fulminantes Comeback gegeben. Weltweit 3 Millionen Einheiten hat er bisher verkauft - 21 Wochen nach dem Release steht er noch immer in den internationalen Hitparaden. Und das mit Songs, die eigentlich kaum radiotauglich sind und sich konsequent dem 3-Minuten-Songdiktat der Musikindustrie verweigern.
Nach seiner selbst gewählten Auszeit ist Timberlake wieder hungrig. Nur ein halbes Jahr nach seinem Album-Comeback doppelt er nach und veröffentlicht am 27. September «The 20/20 Experience - 2 of 2», das erneut mit Produktionspartner Timbaland entstanden ist. Robbie ist herausgefordert und muss sich sputen. Mindestens so grosses Potenzial hat auch Bruno Mars. Sein Debütalbum «Doo-Wop & Hooligans» (2010) wurde weltweit über sechs Millionen Mal verkauft. Auch das im letzten Dezember veröffentlichte Album «Unorthodox Jukebox» ist mit bisher drei Millionen verkauften Einheiten sehr gut unterwegs und immer noch in den vorderen Rängen der Charts rangiert. Dabei ist der 27-jährige Amerikaner aus Hawaii nicht nur Teenieschwarm und ein grossartiger Sänger, sondern auch ein exzellenter Songschreiber. «Von Bruno Mars schwärmen auch gestandene Musiker», sagt Künzler.

Nach einem Leben zwischen Rausch und Selbstzweifeln, Euphorie und Depression scheint Robbie Williams seine Welt in den Griff zu bekommen. «Ich rauche nicht, ich nehme keine Drogen, ich trinke nicht. Ausser Antidepressiva finden sich keine Drogen in meinem Blutkreislauf», sagte er in diesen Tagen der «Stuttgarter Zeitung, «ich könnte sogar aufhören, Kaffee zu trinken».

Doch akzeptieren die Fans den neuen Robbie Williams, der sich vom Sexsymbol und Rock-’n’-Roll-Rebellen zum Pantoffelhelden gewandelt hat? Goutieren die weiblichen Fans seinen Imagewechsel? Die Verkaufszahlen mögen lausig sein, seine Konzerte bleiben begehrt. «Wir waren selbst skeptisch, ob Robbie noch so ziehen würde wie vor sieben Jahren, als er das Berner ‹Stade de Suisse› mit 40 000 Zuschauern zweimal füllte», heisst es beim Veranstalter Appalooza.

Doch die Zweifel waren unbegründet: Eine Woche nach dem Start des Vorverkaufs am 30. November waren alle 48'000 Tickets für das heutige Konzert im Zürcher Letzigrund weg. Die laufende Europatour ist restlos ausverkauft. Wie schon in seiner Heimat füllte er die grössten Arenen und Stadien und ist damit der erfolgreichste Pop-Star im europäischen Konzertsommer.

«Seit Robbie mit seiner Familie in Los Angeles haust, ist er im englischen Alltag nicht mehr so präsent», sagt Musikjournalist Hanspeter Künzler, «die Zeit, wo er quasi das oberste Glück des Zeitgeist jagenden Superstars verkörperte, ist vorbei. Aber er ist heute ein gewiefter, ja charmanter Entertainer mit einem soliden Fan-Gefolge.» Als Identifikationsfigur taugt er immer noch. Viele seiner weiblichen Fans, die ihn damals ausziehen, heiraten und ein Kind von ihm wollten, sind inzwischen selbst verheiratet und haben Kinder. Sie teilen sein Schicksal und träumen von einem Pantoffelhelden wie Robbie.

Die Fans sind Robbie über die Jahre treu geblieben. Neue kommen aber kaum dazu. Das erklärt auch die Schere zwischen Albumverkauf und Konzerttournee. Robbie Williams teilt das Schicksal mit den Rolling Stones und anderen Grössen des Showbusiness. Deren alternde Fans wollen die alten Songs ihrer alten Idole hören. Jene Songs, die sie in ihre Jugendzeit zurückversetzt. Deshalb gehen sie an seine Konzerte. Neue Songs interessieren weniger.

Live ist Robbie eine Macht. Er fühlt sich auf der Bühne wohl wie noch nie. In der Vergangenheit machte ihm der hohe Erwartungsdruck zu schaffen. Er litt er unter Schlafstörungen, hatte Panikattacken und zweifelte an sich selbst. Alles vorbei. Er führt das auf seine Familie zurück, die ihm Halt gibt. «Heute habe ich erstmals meine Frau und meine kleine Tochter Theodora (10 Monate) und unsere zwei Hunde dabei. Das ist eine viel angenehmere Begleitung. Und eine weitaus gesündere», sagt er, Und auf der Bühne blüht er auf. «Mein Beruf fängt erst an, mir richtig Spass zu machen», sagt er weiter.

«Ich scheine ja der einzige Künstler auf diesem Planeten zu sein, der die wirklich grossen Arenen ausverkauft», sagt er, «ich habe diese Krone angenommen und bin sehr, sehr glücklich darüber.» Wenigstens seine grosse Klappe hat er behalten. Denn was für Europa gilt, gilt nicht für die USA. Im grössten Musikmarkt der Welt ist das liebenswertes Grossmaul nach wie vor ein unbeschriebenes Blatt. King Robbie mag Britannien regieren, vielleicht auch Europa, aber sicher nicht die Welt. Die Krone des «King of Pop» bleibt vorerst verwaist.