Montreux Jazz Festival
Funk-Zwerg Prince konnte erst am dritten Abend überzeugen

Funklegende Prince gab am Montreux Jazz Festival gleich drei Konzerte. Doch die Fans wurden vom 55-Jährigen enttäuscht. Der sonst so quirlige Funk-Zwerg kam nicht auf Touren. Nur der letzte Auftritt mochte überzeugen.

Mathias Haehl
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Der kleine Mann mit dem grossen Talent: Prince.

Der kleine Mann mit dem grossen Talent: Prince.

Keystone

In den Jahren 2007 und 2009 war seine «Funkness» Prince bereits König von Montreux. Als launische Diva bekannt, wollte er seinen Anhängern europaweit einzig im Weltdörfchen am Genfersee Audienz geben. Welche Freude! Mehr noch: Das US-Multitalent verliebte sich in die Region. So heftig, dass er gar eine Lobeshymne schrieb, «Lavaux».

Ehrensache, dass auch heuer die drei Gigs innert Minuten ausverkauft waren, für stolze 395 respektive 175 Franken pro Sitz- oder Stehplatz. So what – schliesslich war der geniale Zwerg aus Minneapolis angesagt, der sich selbst zu Ehren den Rock-Kracher «Sexy Motherfucker» schrieb. Angesagt war ein Musiker von der Übergrösse eines Michael Jackson, James Brown oder einer Madonna, eitler Geck und genialer Freak. Der im kleinen Finger so viel Musikalität hatte wie manch einer nicht von Kopf bis Fuss.

Mit 50-köpfiger Entourage

War. Hatte. Denn Prince lief diesmal vorerst ins Leere, stiess seine Fans vor den Kopf. Obwohl er mit einer 50-köpfigen Entourage angereist war, um Montreux und die legendäre Grosszügigkeit des Jazz Festivals erneut gnadenlos zu testen. Das hat sich zwei Abende lang nicht gelohnt: Wenig inspiriert war das erste, gerade mal zweistündige Konzert, bei dem er den 4000 unverwüstlich auf Megaparty machenden Fans lediglich drei Pop-Perlen hinwarf: «1999», «Musicology» und «Housequake». Der Rest offenbarte sich als souliger Funkbrei, schludrig dahergejammt.

Band rettet den Abend

Princes Band New Power Generation spielte agil, seine rund 20 Musiker inklusive elf Bläser durften endlos solieren und nahmen dem Meister die Arbeit ab. Ansonsten (und unnötigerweise) wurden immer wieder Tanzwütige aus dem Publikum auf die Bühne gebeten. Aber hallo: Kindergeburtstage werden so gefeiert – doch nicht Prince-Auftritte! Der zweite Gig war zerfahren, dramaturgisch ohne Konzept, das Publikum musste darauf gar eine Stunde lang im hitzigen Saal warten.

Prince schien sich zu verstecken, unter wuscheliger 1970er-Afrofrisur, hinter Sonnenbrille und in einem düsteren Referendar-Talar. Neuerdings macht er sich auch live rar, denn in den Hitparaden ist er schon seit 20 Jahren nicht mehr der König, nachdem ihm zwischen 1982 und 1994 mit einem Dutzend Albumklassikern alles zu gelingen schien.

Prince ist 55, Bilder mit Krückstock anlässlich der Grammy-Verleihungen gingen Anfang Jahr um die Welt. Er müsste seine Hüften wechseln, weil er einst wie ein Derwisch tanzte. Doch als Zeuge Jehova hält der Sinnsucher sich zurück, will keine künstlichen Gelenke in seinem Körper.

Man hatte als Fan schon versucht, die drei Abende positiv abzubuchen: Prince machte Jazz, er liess seiner Band zweimal Freilauf. Es wurde gegroovt und gejammt, Improvisation und Interplay, diese oft strapazierten Ingredienzien von grossem Jazz kamen zum Tragen. Doch wer will Jazz vom Funk-Prinzen hören? Man will Hits, und zwar bitte nicht in homöopathischen Dosen! Denn davon hat er gegen 30.

Die Wende am dritten Abend

Doch dann, am dritten Abend, war alles anders. Ach, so wie früher, als Prince nicht nur sang und tanzte wie ein Gott, sondern als Multiinstrumentalist (er beherrscht 20 Instrumente!) ab und an die Gitarre umschwang und husch, husch atemberaubend über die Saiten strich. Im Hendrix-Hippie-Outfit fand er vom Plunder zum Zunder und Wunder zurück. Von Zero zum Hero. Mit seinen drei talentierten, auf Youtube gecasteten Rockerinnen namens «3rdEyeGirl», hangelte er sich durch ein hart gespieltes FunkrockRepertoire.

Die Prince-Jünger waren hin und weg

Als Schlussbouquet gabs ein halbstündiges Hit-Medley, bei dem sich Prince als DJ betätigte und den Sound ab Band abrief. Hühnerhaut garantiert: Man blickte zu dem kleinen Mann mit dem grossen Talent auf, Kiefer heruntergeklappt. Der Unberechenbare kanns ja doch noch! «Let’s go Crazy»? – Endlich! Und der Meister ging mit diesen Worten: «Dieses Haus ist jetzt unseres!» Bis nächstes Jahr.