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Das Lucerne Festival Orchestra unter Riccardo Chailly eröffnete das Sommerfestival mit dem Starpianisten Lang Lang: eine Kombination, die alle Kriterien von Grussredner Bundesrat Ueli Maurer sensationell erfüllte.
Die Erneuerung des Eröffnungsprozederes des Lucerne Festival fiel moderat aus, bietet aber einige Pluspunkte. Das Open-Air-Konzert ist jetzt im Trockenen. Exotische Pflanzen wuchern entlang dem roten Teppich vor dem KKL ins Freie. Und im Eröffnungsakt im Saal fiel die oft langatmige und abgehobene Eröffnungsrede weg.
Trotz solcher Pluspunkte: Am Ende ist das, was hier zählt, das Eröffnungskonzert, das auch dieses Jahr vom Lucerne Festival Orchestra unter Riccardo Chailly bestritten wurde. Dieses brachte zum Thema «Kindheit» mit Lang Lang zwar bloss ein ehemaliges Wunderkind als Solisten, dafür aber reihenweise Kindswunder.
Nach der Begrüssung durch LF-Stiftungspräsident Hubert Achermann bot den Massstab dafür Bundesrat Ueli Mauer in seiner vital vorgetragenen Grussrede. Zunächst überbrachte er den Machern des Festivals, einer «der wichtigsten Visitenkarte der Schweiz im Ausland», augenzwinkernd «den Dank auch im Namen der Eidgenossenschaft». Dann schöpfte er «nach zwei Wochen Ferien mit den Enkeln» aus dem Vollen, um zu zeigen, welche Qualitäten von Kindern uns die Musik wieder zugänglich machen kann. Demnach erlauben Konzertbesuche erstens, zu «staunen mit offenen Augen und Mund»; zweitens, den Augenblick zu geniessen, ohne sich «von Handy und Terminkalendern» ablenken zu lassen; und drittens, auch vom Unmöglichen zu «träumen».
Das taugte als Leitfaden durch ein Programm, das gängige Erwartungen unterlief. Denn der Pianist Lang Lang wurde als Virtuose zum Superstar, das Lucerne Festival Orchestra steht für grossorchestrale Sternstunden. Dem entsprach weder die kleine Besetzung für Strawinskys «Dumbarton Oaks» noch die Wahl von Mozart für das Solo-Konzert. Und die handwerkliche Machart von Strawinskys klassizistischer Musik passte so gar nicht zum Ruf dieses Ausdrucksorchesters. Es war ein deutliches Signal, dass die stilistische Öffnung unter Riccardo Chailly weitergeht. Aber das Baukastenprinzip und der Feinschliff, mit dem in «Dumbarton Oaks» Streicherschmelz, Bach-Partikel und repetitive Grooves kombiniert wurden, war ein Zusammensetzspiel ganz zum kindlichen Staunen.
Und staunen konnte man erst recht über Mozarts Klavierkonzert in c-Moll mit Lang Lang am Flügel. Aufhorchen liess schon der leichte, federnd phrasierte Orchesterklang, der freilich Mozarts Musik nicht auf kantige Moll-Dramatik festlegte.
Das öffnete alle Räume für Lang Langs Spiel: Der Virtuose, der nach einer Sehnenentzündung sein Comeback mit Mozart gibt, deutete den Solopart quasi nach innen aus. Er setzte nur sparsam, aber wirkungsvoll artikulierte Akzente und Läufe, verkroch sich zum Teil mit hingehauchtem Pianissimo im Orchester und in die gebannte Stille im Saal hinein, um andernorts mit singendem Ton durch den Raum zu schweben: Der Künstler als Kind, das staunend in jeder Note, in jedem Augenblick Entdeckungen macht und uns daran teilnehmen lässt.
Selten hört man Mozart derart lebendig, berührend musiziert, auch nicht von diesem Orchester, das unter Abbado wenig überzeugende Abstecher zur Klassik gemacht hatte. Wie Chailly angestammte Klangqualitäten des Orchesters nutzt und auf Detailschärfe, Beweglichkeit und rhythmischem Schneid trimmt, zeigte zum Abschluss Strawinskys «Feuervogel». Er schwang sich aus zauberischen Impressionismen vielfarbig doch noch zum Eclat hoch, den man von einem Eröffnungskonzert auch erwartet.
Hinweis
Wiederholung: Sonntag, 19. August, 19.30; KKL, Konzertsaal.www.lucernefestival.ch