Mit «Die Schöne und das Biest» feiert eines der ältesten Märchen Europas als Musical Premiere auf der Walenseebühne in Walenstadt. Dramatik, Klamauk, Poesie und wunderbare Stimmen zeichnen die Aufführung aus.
Noch brennt die Sonne heiss auf das Premierenpublikum und spiegelt sich im langen, glatten Walensee. Bevor das Musical beginnt, bietet sich den Zuschauern ein beeindruckendes Naturspektakel: Die Sonne verschwindet hinter den Churfirsten und taucht die Walensee-Bühne genau zu Beginn der Premiere in ein neues Licht, das sich im Verlauf der Vorstellung laufend verändern wird. «Für jeden brennt ein Licht», singt die Fee denn auch zur wunderschönen Bella (Eveline Suter), die ob dem gemeinen, einfältigen Volk und ihrer zwei einfachen Schwestern im Bauerndorf verzweifelt. Bella ist die Tochter eines Kaufmanns, der plötzlich mit einer gesunkenen Schiffsladung Hab und Gut verliert.
Und so sind wir mitten in einem der ältesten und poetischsten Märchen Europas. «Die Schöne und das Biest» wurde bereits im Jahr 1740 geschrieben und stammt ursprünglich aus Frankreich. Das Volksmärchen wurde viele Male verfilmt und erlebte seinen populären Höhepunkt wohl mit der Disney-Verfilmung im Jahr 1991 als Zeichentrickfilm. Die Inszenierung auf der Walensee-Bühne hält sich an die erste deutsche Musical-Version von Martin Doepke aus dem Jahr 1994.
Im Bauerndorf rauchen die Schlote, fliessen die Biere, fallen derbe Worte, und Gustav will mitten im Gejohle nichts mehr als die schöne Bella erobern. Das Mannsbild, von Jan Oliver Bühlmann herrlich überzeichnet dargestellt wie eine Comic-Figur, ein Popeye im Bauernkostüm, stellt sich dabei derart ungeschickt an, dass trotz seines unerschütterlichen, Testosteron gefütterten Selbstvertrauens jeder Versuch fehlschlagen muss.
Zwar bekommt er viel Unterstützung durch seinen intellektuell deutlich besser bestückten Freund (Patric Scott). Dem Bauerntrottel hilft das nicht, die Szene, in welcher der Freund versucht, Gustav zu zeigen, wie man mit holden Worten und Rosen um die feinfühlige Schönheit wirbt, ist denn nach der Pause einer der Höhepunkte des Musicals – und erhält noch während der Szene riesigen Applaus vom begeisterten Premierenpublikum.
Nur wer mit dem Herzen sieht, sieht in der Dämmerung das Gute
Das Musical kommt mit dem Einnachten nach der Pause so richtig in Fahrt. Zuvor irrt der Kaufmann, vom Schicksal gezeichnet, durch den Wald und begegnet in einem verwunschenen Schloss dem Biest (István Csiszár). Eigentlich ein von der Fee verwandelter Prinz, gefangen im Hass auf die Menschen und versunken im Selbstmitleid.
Dem Kaufmann schlägt das Biest einen Tauschhandel vor: Seine Freiheit würde er nur erlangen, wenn er ihm innert dreier Tage eine seiner drei Töchter opfere. Dafür erhält der Kaufmann seinen Reichtum zurück, was insbesondere die Schwestern von Bella erfreut. Bella selbst, angewiesen von der Fee – «Nur wer mit dem Herzen sieht, sieht in der Dämmerung das Gute»– , opfert sich für den Vater, in der Hoffnung, ihr Leben abseits des Bauerndorfs ihren weitschweifenden Träumen entsprechend neu gestalten zu können.
«Wer ist mutiger als die junge Taube, die ihr Nest verlassen will?», fragt die Fee und geleitet Bella ins verwunschene Schloss, wo sie auf das schnaubende Biest trifft. Dort soll sie den Rest ihrer Tage mit dem Unmenschen verbringen, dessen weicher Kern die Schöne aber bald wieder nach Hause lässt und dabei die Saat der Liebe gesät hat.
Bella verspricht ihm zurückzukehren. «Kein Mensch geht freiwillig in die Hölle», zweifelt das Biest an der Rückkehr, doch Bella straft in Lügen und kommt zurück. Zu viel für Gustav und die Dorfbewohner, welche die Schöne aus den Fängen des Biests befreien wollen. Sie töten das Biest, aber dank der tiefen Liebe Bellas wird er aus den Fängen befreit und tanzt im Schlussakt als Prinz wunderbar mit Bella auf der Bühne.
So wogt das unterhaltende Musical, unter der Regie des Tschechen Stanislav Moša, gekonnt zwischen Dramatik und Komik hin und her, wie auch zwischen Bauerndorf und Schloss. Das in einer im Vergleich zu früheren Walensee-Musicals für einmal etwas schlichteren Choreografie mit wenig Spezialeffekten.
Ausgezeichnet gespielt und gesungen dafür vor allem von Eveline Suter als Bella, die allein schon wegen ihrer Erscheinung Szenenapplaus erhält, wenn sie mit einem neuen Kleid die Schlosstreppe heruntergleitet. Der guten und eindrucksvollen Stimmen sind viele. Auch von der Fee (Pia Lustenberger) möchte man gerne mehr hören, auch der Kaufmann (Hans Neblung) überzeugt stimmlich. Die Szenenwechsel sind schnell, die Musik geht vor allem nach der Pause direkt ins Ohr und ins Herz. Das Publikum dankt es am Schluss der Premiere am Mittwoch mit stehenden Ovationen.
Walensee-Bühne: Die Schöne und das Biest. Bis 28. Juli
www.www.walenseebuehne.ch