Kunstmuseum Basel
Du sollst Dir ein Bildnis machen

Das Kunstmuseum begibt sich in «Making the World» auf die Suche nach spirituellen Welten. Mit dabei: Exponate des Museums der Kulturen.

Stefan Strittmatter
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Ausstellungsansicht «Making the World ‒ Spirituelle Welten».

Ausstellungsansicht «Making the World ‒ Spirituelle Welten».

Kunstmuseum Basel

Natürlich fällt der Blick als Erstes auf den Buddha, der menschengross neben dem Eingang sitzt und die Besucherinnen und Besucher mit goldenem Leuchten und erhobener Hand begrüsst. Und schon ist das erste kulturelle Missverständnis passiert. Denn die nach vorne gedrehte Handfläche der rund 120 Jahre alten japanischen Skulptur ist nicht primär eine Geste des Grusses, sondern der Schutzverheissung und Ermutigung.

Japanische Buddha-Statue um 1900.

Japanische Buddha-Statue um 1900.

Kunstmuseum Basel

Es ist Teil des Reizes der Ausstellung, dass einem jedes zweite Exponat zumindest teilweise fremd erscheint. Nämlich all jene Objekte, die aus dem aussereuropäischen Raum und damit aus dem Museum der Kulturen (MDK) stammen. Während sich das kleinere Haus für seine Ausstellung «Gelebte Welten» (seit Ende März und noch bis 23. Januar) im Fundus des Kunstmuseums bedienen durfte, hat sich im Gegenzug Kunstmuseum-Kurator Bodo Brinkmann ausführlich in den Beständen des MDK umgesehen.

Exponate im Dialog

Die Erfahrung solch umfangreicher Leihgaben über Kreuz sei für ihn in dieser Form neu gewesen, sagt Brinkmann gegenüber der bz: «Wir haben über meh­rere Jahre hinweg einmal im Monat wechselseitig die Depots durchkämmt.» Mit dem Resultat, dass in der Ausstellung «Making the World – Spirituelle Welten» nun gut zwei Dutzend Werkpaarungen zu erleben sind, die in den Dialog treten. Oder in den Worten von Brinkmann:

«Es ist, wie wenn beim Fussball die Rede ist vom ‹Ins 1 zu 1 gehen›. Das heisst dann: Es geht zur Sache!»

Als Sparringpartner für den goldenen Buddha hat er ein Gemälde des Berner Malers Niklaus Manuel, genannt Deutsch (um 1484–1530), ausgewählt. Die Tüchleinmalerei kann mit einer Höhe von fast eineinhalb Metern ansatzweise mit dem 250 cm grossen Buddha mithalten, ansonsten erschliessen sich die ­Gemeinsamkeiten der beiden Werke jedoch nicht auf den ersten Blick.

Das gleiche Motiv aus verschiedenen Religionen

Gemälde des Berner Malers Niklaus Manuel (um 1484–1530).

Gemälde des Berner Malers Niklaus Manuel (um 1484–1530).

Kunstmuseum Basel

Das bevölkerte Gemälde um die heilige Anna mit ihrer Tochter Maria und dem Jesuskind auf dem Schoss hat in seinen Weiss-, Grau- und schwachen Blau­tönen naturgemäss nicht jene Erstwirkung wie die massige goldene Einzelfigur. Doch dann bemerkt man den aus dem oberen Bildrand herausragenden Himmelskreis sowie die Strahlenkrone des Heiligenscheins, die jenem des Buddhas in ihrer geometrischen Ausformung gleicht wie eine direkte Kopie.

Dass sich ein solches Motiv über die Jahrhunderte, Kontinente, Kunstformen und Religionen hinweg so stark ähnelt, ist eine bemerkenswerte Koinzidenz in diesem Dialog der Exponate. Es stellt sich die Frage, wovon sich die Künstler beim Erschaffen dieser Bildnisse haben leiten lassen. Brinkmann sagt dazu: «Man kann und soll sich Gedanken machen.»

Andernorts mag eine inhaltliche Ähnlichkeit zwischen den gepaarten Exponaten gegeben sein, etwa bei jenen zum Thema «göttlicher Beistand», doch könnten sich die Kunstwerke hier äusserlich unähnlicher kaum sein: Die indische Ganesha-Statue (vor 1856) hat mit dem Venus-Gemälde von Charles André van Loo (1705–1765) optisch nichts gemein. Hier das keck grinsende Elefantenantlitz der farbenfrohen Gottheit, dort die skeptisch drein­blickenden Amor-Knaben neben der fast farb- und mimiklosen Liebesgöttin.

Ein Katalog an Fragen

Nicht jede Paarung ist gleichermassen geglückt. Spannend ist aber selbst dann der Dialog, der angeregt wird von jenem zwischen den Kunsthäusern respektive ihren Exponaten: der Dialog zwischen den gezeigten Objekten und den Betrachterinnen und Betrachtern.

Dieser Dialog besteht aus Fragen: Woher kommt der weltumspannende Wunsch nach der Darstellung des Jenseits und der Gottheiten? Wie stark ist unsere persönliche Vorstellung von derlei Darstellungen geformt? Gibt es eine Spiritualität, der keine visuelle Vorstellung zugrunde liegt und die ohne Bildnisse auskommt, so wie es eines der Zehn Gebote fordert?

Eine letzte Frage deutet auf ein Versäumnis der ansonsten gleichermassen stimmigen wie anregenden Sonderausstellung hin: Wieso hat jedes Exponat der Ausstellung einen religiösen Ursprung? Gibt es Spiritualität nicht auch losgelöst von Gottheiten und Glauben?

Making the World ‒ Spirituelle Welten.
Kunstmuseum Basel. Bis 24. April. www.kunstmuseumbasel.ch