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Die Schauspielerin Isabel Karajan ist die Tochter des weltberühmten Dirigenten. Im Gespräch redet sie über die spezielle Beziehung zu ihrem Vater und erklärt, warum sie mit «Konzert am Berg» an den Andermatt Swiss Alps Classics auftritt.
Isabel Karajan: Nein, das war nicht so. Meine Mutter hat zu Hause eigentlich alles gehandhabt, aber letztlich stand alles im Schatten der Arbeit und der Kunst meines Vaters.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass er so etwas gesagt hat. Er war der Erste, der die Männerdomäne in der klassischen Musik auflösen wollte. Er wollte, dass Junge bei Bühnenprojekten mitmachen, egal, ob Frau oder Mann. Er hat auch sehr viele weibliche Künstler hervorgebracht.
Geboren 1960 in Wien, machte die Tochter von Herbert von Karajan (1908–1989) ihre Schauspielausbildung bei Jean-Laurent Cochet in Paris. Danach spielte sie im Ensemble des Thalia Theaters in Hamburg. Nebst Engagements in Filmen war sie Teil von George Taboris Theater «Der Kreis» in Wien. Dank ihrer Zweisprachigkeit spielte sie schon in etlichen französischen und deutschen Produktionen mit. Zurzeit arbeitet sie mit Regisseur Klaus Ortner an eigenen Musik-Theater Konzepten.
Er hatte Angst, dass wir diesen Weg auch einschlagen, weil er wusste, was es mit sich bringt und wie schwierig es ist, in diesem Beruf erfolgreich zu sein. Daher bin ich auch weg von zu Hause und bin meinen Weg alleine gegangen. Es war immer ein Drang von mir, mich selber zu beweisen. Nicht meinem Vater, sondern mir selbst. Ich stehe mir selber am meisten im Weg – das habe ich von ihm geerbt. Wie er habe ich einen hohen Anspruch an mich selbst. Dazu kommt, dass ich wegen meines Talents engagiert werden wollte und nicht als Tochter von Karajan. In Frankreich war der Name auch weniger ein Begriff als in Österreich oder Deutschland.
Was viele nicht wissen: Er war da. Er ist nach Hamburg gekommen, aber ohne gross aufzufallen. Wenn man diskret sein will, kann man das auch. Er kam zu vielen meiner Aufführungen. Er wollte später mit mir sogar «Johanna im Scheiterhaufen» aufführen, aber dazu kam es dann nicht mehr.
Seit einigen Jahren bereits. Musik ist für mich das stärkste und emotionalste Kommunikationsmittel, das es auf dieser Welt gibt. Sie ist nicht an Sprache oder Länder gebunden. Sich damit auseinanderzusetzen, ist etwas Tolles. Ich habe bei solchen Projekten auch mit den Regisseuren sehr gute Erfahrungen gemacht. Es ist eine wahnsinnige Herausforderung, weil man anfangs nicht weiss, was es wird und ob es auch aufgeht. Das ist sehr schwer, aber die Faszination ist riesig. Bis jetzt war das Publikum immer begeistert. Es ist zum Glück nie passiert, dass es bei den Leuten nicht angekommen ist. Ich bin mit der Musik aufgewachsen, egal, welches Genre, aber ich mache nicht Musik wegen meines Vaters. Musik ist trotzdem eines meiner Hauptnahrungsmittel.
Nein, nur zu meiner Taufe kamen ein paar Musiker. Diese Patenschaft hat sich in meiner Kindheit nicht so erkennbar gemacht. Der Kontakt bestand nur durch die Proben meines Vaters. Doch ich sehe sie und höre sie sehr gerne. Ich hatte natürlich auch noch «normale» Taufpaten.
Ich inszeniere eigentlich nicht, sondern spiele. Das Projekt kann nicht in eine Schublade gesteckt werden. Das macht es spannend und erstaunt die Leute meistens. Ich glaube, es ist weder musikalisierter Text noch bebilderte Musik. Wir befruchten die Fantasie des Publikums mit der Gegenüberstellung dieser beiden Ausdrucksmittel. Wir setzten Dinge in Szene, die das Publikum auf diese Art und Weise noch nie gehört hat. Das soll sich gegenseitig beflügeln. Die Wahrnehmung des Textes wird mit der Musik noch mehr angeregt. Die beiden Elemente brauchen einander nicht als Hilfe, aber sie verstärken sich gegenseitig.
Die grosse Besonderheit ist das Naturschauspiel des Bergkristalls, neben dem wir in Airolo spielen dürfen. Die Idee, dieses Stück mit dieser Musik in diesem Kristallsaal zu machen ist etwas Einzigartiges. Darüber freue ich mich sehr und ich bin gespannt, wie sich das Publikum auf diese Reise einlässt. Am Ende ist es diese Mischung, die mich sehr fasziniert hat.
Das Theater hat mich schon immer interessiert. Dann habe ich in der Schule die Barblin in «Andorra» von Max Frisch gespielt. Spätestens da war mir klar, dass ich diesen Weg gehen werde. Ich ging dann nach Frankreich zur Schauspielschule. Es folgten Engagements in Hamburg, Berlin, Stuttgart und wieder Paris. Doch die wichtigste Zeit für mich war die Zusammenarbeit mit dem Regisseur George Tabori. Nicht nur auf professioneller, sondern auf menschlicher Ebene war er eine wichtige Person in meinem Leben. Er war für mich ein Theatervater, mit seinem Weitblick und seinem eigenen Theater «Der Kreis» in Wien. Dieses Projekt befand sich ausserhalb der grossen Staatstheater und war damit etwas ganz Eigenes. Ich bin immer für Neues zu haben, ich liebe es, dabei zu sein, wenn Neues entdeckt wird.
In mir fliesst Zigeunerblut. Als meine Mutter schwanger war, war sie mit meinem Vater gerade auf Welttournee. Das hat mich offenbar beeinflusst. Mit der Familiengründung hat sich dies erst einmal geändert. Doch mit dem Unfall meines Mannes hat es mich wieder vermehrt in die Welt hinausgezogen. Er starb 2011 bei einem Flugzeugunfall. Ich habe eigentlich immer mehr Fern- als Heimweh. Das Herumwandern hat nie aufgehört.
Es schliesst Türen in dem Sinne, dass Leute Angst haben. Denken, es sei zu kompliziert, mit mir zusammenzuarbeiten, oder dass sie mit Vorurteilen in die Zusammenarbeit reingehen. Man wird schnell in Schubladen gesteckt. Aber der Name verpflichtet ja zu nichts. Hohe Erwartung habe ich sowieso, egal, mit welchem Namen. Ich will das Beste aus mir herausholen, jeden Abend neu.
Andermatt Swiss Alps Classics, 25. Juni bis 1. Juli. «Konzert am Berg» mit Isabel Karajan: 30. Juli, 18 Uhr, Kristallsaal Sasso San Gottardo, Airolo.