50 Jahre James Bond
Bond-Produzenten: «Daniel Craig ist ein sehr guter Bond»

Barbara Broccoli (52) und ihr Halbbruder Michael G. Wilson (69) sind seit «Golden Eye» (1995) gemeinsam für die Produktion der Bond-Filme verantwortlich. Im Interview verraten sie, wie man zu Bondgirls und Bösewichten kommt.

Hans Jürg Zinsli
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Mrs. Broccoli, Mr. Wilson, 2012 feiert James Bond seinen 50. Geburtstag auf der Kinoleinwand. Werden wir auch zum 100. Geburtstag noch Bond-Filme sehen?

Michael G. Wilson: Oh, ja (lacht). Hoffentlich werden die heutigen Filme dann ebenfalls noch geschaut – als Golden Oldies.

Was macht James Bond zu einer Filmfigur, die Millionen fasziniert?

Barbara Broccoli: Zum einen hat Ian Fleming mit James Bond einen komplexen Charakter entworfen, der fähig ist, sich verschiedenen Zeiten anzupassen und sich zu verändern. Zum andern haben wir das Glück, dass ausserordentliche Schauspieler diese Übergänge von Dekade zu Dekade glaubhaft verkörperten. Nur deshalb hat die Bond-Franchise so lange überlebt. Sean Connery hat Bond aufgebaut und getragen. Roger Moore oder Pierce Brosnan adaptierten die Figur danach für die jeweilige Zeit.

Was ist das Schwierigste, für jeden Film eine neue Umgebung und neue Schauspieler zu finden?

Wilson: Man muss aufpassen, dass einem das Bond-Umfeld nicht zu vertraut wird.

Weshalb?

Wilson: Weil man sonst Gefahr läuft, immer wieder etwas Ähnliches zu erzählen.

Bei einem Bond-Film wirken Tausende von Spezialisten mit. Aber Sie entscheiden.

Wilson: Sicher.

Lassen Sie mich anders fragen: Wie viel von dem, was wir im Kino sehen, entspricht Ihren Ideen?

Broccoli: Da muss ich ausholen.

Bitte.

Broccoli: Filmemachen bedeutet zweierlei. Man muss einen «Spirit» entflammen und im Team arbeiten. Für einen Bond-Film engagieren wir zuerst die Drehbuchautoren, die mehrere Fassungen schreiben. Dann bestimmen wir den Regisseur, mit dem wir gemeinsam weiter am Script arbeiten. Mit ihm besetzen wir danach alle «Heads of department», die wiederum ihre eigenen Teams zusammenstellen. Das heisst, mit jedem Schritt folgt eine Erweiterung des Konzepts. Wenn dann der Film gedreht, geschnitten und mit Musik versehen ist, haben wir ein Produkt, bei dem unzählige Menschen ihre Ideen einbrachten. Aber letztlich sind es Michael und ich, die für die Bestimmung des jeweiligen Themas zuständig sind.

Stimmen Sie dabei in der Regel überein?

Broccoli: Nun, wir sind Bruder und Schwester. Wir haben unterschiedliche Ansichten zu Religion und Politik. Aber bei Bond tendieren wir dazu, einer Meinung zu sein. Wir hatten diesbezüglich einen grossartigen Lehrer: Cubby Broccoli, meinen Vater.

James Bond hat Sie beide fast ein Leben lang begleitet. Frau Broccoli, ist die Geschichte wahr, dass Sie sogar mal mit Bond im Bett waren?

Broccoli: Nein, nicht mit Bond. Ich war sechs Jahre alt, als «You Only Live Twice» auf einer abgelegenen Insel gedreht wurde. Es gab keine Betten, bloss traditionelle Schlafmöglichkeiten auf dem Boden. Ich wurde sehr krank; einige vermuteten, es sei die Schlafkrankheit. Meine Mutter war in grösster Sorge. Da kam Sean Connery, der als Einziger ein Bett hatte, und bot es mir an.

Was anscheinend half.

Broccoli: O ja, ich habe überlebt (lacht).

2008 wurden Sie beide von der Queen mit dem «Order of the British Empire» ausgezeichnet. Was bedeutet Ihnen das?

Broccoli: Es war eine aussergewöhnliche Ehre. Mein Vater kam 1952 aus den USA nach England. Er liebte dieses Land. Ich wuchs hier auf, Michael kam in den 70er-Jahren nach London. Grossbritannien ist also seit langem unser Zuhause. Und es ist das Zuhause von James Bond, dessen Filme wir mit zwei Ausnahmen alle hier gedreht haben.

Seit «Dr. No» wird ein Bond-Film meist von zwei, drei oder mehr Drehbuchautoren geschrieben. Ist einer nicht genug?

Wilson: Bond-Filme sind komplexe Action-Adventure-Filme. Für einen Autor ist es sehr schwierig, alles im Alleingang zu schaffen. Da kommt wieder der Teamgeist ins Spiel: Jeder Autor hat spezifische Fähigkeiten. Manchmal braucht man jemanden, der einem anderen hilft, weiterzukommen.

Wie ist das mit den Bösewichten und Bond-Girls – bekommen Sie 100 Bewerbungen pro Tag?

Broccoli: Nein, Anfragen erreichen uns nicht direkt. Wir haben eine Casting-Direktorin, die seit «For Your Eyes Only» mit uns arbeitet. Sie reist um den ganzen Globus, kennt die wichtigsten Schauspielagenturen und hat eine gute Nase für neue Talente. Das Beste, was sie sieht, nimmt sie auf Band auf und schickt es uns. Das schauen wir uns mit dem jeweiligen Regisseur an. Danach machen wir eine Shortlist von Schauspielern, von denen wir mehr sehen möchten. Diese Darsteller bitten wir nach London, um mit dem Regisseur zu arbeiten. Erst dann treffen wir unsere endgültige Wahl.

Gab es Schauspieler oder Regisseure, die Ihre Wahl ablehnten?

Wilson: Klar. Gefragte Leute haben ja noch andere Verpflichtungen. Aber in der Regel kriegen wir, was wir wollen. Das gilt besonders für «Skyfall». Da bekamen wir mit Javier Bardem, Ralph Fiennes, Naomie Harris und Bérénice Marlohe alle Schauspieler, die wir haben wollten.

«Skyfall» erscheint vier Jahre nach «Quantum Of Solace». Wenn zwischen zwei Bondfilmen so viel Zeit verstreicht, übernimmt in der Regel ein neuer Hauptdarsteller.

Wilson: Daniel Craig ist ein sehr guter Bond, wir wollten nichts ändern.

Die Produktionsgesellschaft MGM, die 50 Prozent der Bond-Rechte hält, kämpfte 2010 mit massiven Finanzproblemen. Wie nahe stand die Marke Bond vor dem Aus?

Wilson: Wir konnten bloss abwarten und hoffen, dass sich die Firma bald reorganisieren würde. Was dann auch geschah.

In «Casino Royale» und «Quantum Of Solace» erschien Bond als gebrochene Figur. Beliebte Nebenfiguren wie Miss Moneypenny und der Tüftler Q fielen weg. In «Skyfall» taucht Q wieder auf. Wehalb?

Broccoli: In «Skyfall», beginnen wir, die bekannte Bond-Familie wieder zusammenzusetzen. Deshalb kommt Q zurück.

Und Miss Moneypenny?

Broccoli: Warten Sie ab. Wir sind zuversichtlich, dass wir Moneypenny schon bald wieder ins Bond-Universum einfügen können.