Mit den beiden Konzerten des St. Galler Kammerchors und Haydns «Schöpfung» endet das musikalisch farbige Wirken von Niklaus Meyer. Er hat in St. Gallen viel bewirkt, auch auf dem Gebiet der modernen Musik.
Aufbruchstimmung herrscht im Haus von Niklaus Meyer am St. Galler Malvenweg. Der Dirigent, der das Musikleben in der Stadt in den letzten vier Jahrzehnten mit vielen Impulsen geprägt hat, zieht in eine Wohnung nach Weesen, nur hundert Meter vom Walensee entfernt. Der zukünftige Alterswohnsitz liegt fast ein wenig symbolisch zwischen Glarus und St. Gallen, den beiden Hauptwirkungsstätten des Glarner Musikers. Leider muss er ohne seine Lebenspartnerin dorthin ziehen. Vier Jahre hat er sie zu Hause betreut. Nun lebt sie in einem Pflegeheim.
75 Jahre alt ist Niklaus Meyer vor einem Monat geworden. Er selbst hat sich nie als «hochfliegenden Künstler» gesehen. Und doch hat er auf seine ruhige, zurückhaltende Art einiges bewirkt. Vom Glarner Madrigalchor hat er sich nach 48 Jahren Leitung mit einer Uraufführung von Peter Wettstein verabschiedet. Beim St. Galler Kammerchor sagt Meyer nach 38 Jahren mit Haydns «Schöpfung» Adieu. Beide Abschiedskonzerte zeigen nochmals, wie breit der Dirigent und Pianist aufgestellt war. Von der Liebe zur Klassik bis zum grossen Interesse für die Moderne.
Als er 1989 in St. Gallen den Verein Open Opera gegründet hat, entstand ein innovatives Kleinmusiktheater. 1990 haben Tausend Zuhörer der «Carmina Burana» unter seinem Dirigat zugehört. Von Alfons K. Zwicker hat Niklaus Meyer 1998 dessen erste Oper «Die Höllenmaschine» uraufgeführt. Noch heute stöhnt er schmunzelnd über diese damals «schwere Geburt». Auch mit seinen Chören hat Meyer die stilistischen Grenzen immer weit gesteckt und sich für Werke abseits des gängigen Chorrepertoires eingesetzt. Die Stadt St. Gallen hat ihn 2011 mit einem Anerkennungspreis geehrt. Den Glarner Kulturpreis hat Meyer schon vor zwanzig Jahren bekommen.
Abschiednehmen ist nicht leicht, aber Niklaus Mayer schaut dankbar zurück. «Es wirkt für mich alles abgerundet.» Und er betont, wie viel ihm das Musizieren auf seinem Flügel, das Abtauchen in die Kompositionen, auch bei diesem Abschied vom aktiven Musikleben helfe.
Oft hat er seine beiden Chöre auch zusammengelegt für grosse Projekte, die ihm besonders in Erinnerung blieben. Etwa für das Brahms-Requiem oder Händels «Messias». Und wenn er von der Aufführung von Ernest Blochs «Avodath Hakodesh» oder Frank Martins «Et in terra pax» erzählt, kommt er sofort wieder ins Schwärmen für diese packende Musik des 20. Jahrhunderts.
Zur Romantik hat Niklaus Meyer eher spät gefunden. Zudem bedauert er, nie Bachs Johannespassion aufgeführt zu haben. Zum Abschied jetzt also Haydns «Schöpfung». «Ich wollte mich nicht mit einem Requiem in den Ruhestand verabschieden», sagt Meyer, der um die «Schöpfung», einem «heiklen Werk», lange einen Bogen gemacht hat. «Das Stück ist unglaublich gut komponiert und war seiner Zeit weit voraus. Ich finde, Haydns Ouvertüre erinnert manchmal schon fast an Wagner. Viele wunderbare Ideen laufen in der ‹Schöpfung› fast ein wenig im Verborgenen.»
Niklaus Meyer hat in den letzten vier Jahrzehnten in St. Gallen eher als bescheidener Musiker gewirkt, allzu viel Aufhebens um seine Person hat er nie gemacht. Aber er hat das Kulturleben geprägt und mit Open Opera in der freien Szene durchaus einen Gegenpol zum Programm des Theaters St. Gallen geschaffen.
Und er hat mit Chören Vielseitigkeit gelebt, auch gewagte Stücke aufgeführt. Damals war Meyer der einzige, der in der Chormusik neue Wege beschritt. Dass er auch so gut Geige spielt, dass er einst Mendelssohns Violinkonzert im Griff hatte, verrät er eher nebenbei. Mit der Geige will Niklaus Meyer im Ruhestand beim Sinfonischen Orchester Arbon mitspielen.
Hinweis
• Sa, 29.6., 19.30 Uhr, Tonhalle, St. Gallen • So, 30.6., 17 Uhr, Klosterkirche Rheinau