Literatur
Ein Buch über Alltagsrassismus: Weil sie weiss, wie es ist, anders auszusehen

Die Zürcher Autorin Samira El-Maawi hat ein eigenwilliges Buch über Identitätssuche und Rassismus geschrieben.

Anna Wegelin
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Samira El-Maawi hat auch über eigene Erfahrungen geschrieben.

Samira El-Maawi hat auch über eigene Erfahrungen geschrieben.

Zvg / Aargauer Zeitung

Samira El-Maawi arbeitet neben ihrer Schriftstellerei in einer Teilzeitanstellung in der beruflichen Integration von Jugendlichen, wo sie eine Textwerkstatt aufbaut. Auf diesen zwei Standbeinen will sie ihre berufliche Zukunft abstützen.

Ihr Debütroman trägt den poetisch verklärenden Titel «In der Heimat meines Vaters riecht die Erde wie der Himmel» und spielt in den 1980er-Jahren im Kanton Zürich. «Alltagsrassismus ist, wenn man ständig darauf aufmerksam gemacht wird, dass man nicht hierher gehört, weil man anders aussieht», sagt sie. Die «Schwarze Schweizerin», als die sie sich bezeichnet – das grossgeschriebene Adjektiv mache die Rassismuserfahrung sichtbar und werde für die Betroffenen stärkend verwendet, so die Autorin –, ist hier geboren und aufgewachsen, mit einer weissen Mutter aus der Deutschschweiz und einem schwarzen Vater. «Meine Muttersprache ist Schweizerdeutsch, daheim sprachen wir auch noch Hochdeutsch und das war’s dann», erzählt sie.

Schreiben aus Dringlichkeit

Das eigene Schreiben habe für sie immer eine formale und inhaltliche «innerliche Dringlichkeit», so die Autorin. Die Lyrik ist ihr eine besonders liebe Form. Inhaltlich war es im Grunde nur eine Frage der Zeit, bis sie ein Buch über Rassismus und Identität schreiben würde – «das Hauptthema des Buches ist Dazugehörigkeit», betont sie. Die subtileren Formen der Ausgrenzung erfährt El-Maawi bis heute. Genauso ergehe es auch den vielen weiteren schwarzen Menschen in der Schweiz, welche sie für ihren Roman interviewt hat.

Komponiert hat sie einen szenisch angelegten und mit vielen poetischen Einsprengseln versehenen, eigenwilligen fiktiven Text, in den sie eigene Erlebnisse einflicht, ohne deshalb eine Autobiografie zu schreiben. Wir begleiten den Alltag einer binationalen Familie. Die Mutter ist weiss, christlich und von hier und der Vater ist schwarz, muslimisch und aus Sansibar in Tansania.

Aus der Perspektive eines Mädchens

Während die eine Tochter sich selbstbewusst ihre Lippen knallrot anmalt, beobachtet und registriert die andere Tochter, die zehnjährige Ich-Erzählerin, Hunderte kleine Momente, in denen sie und ihre Familienmitglieder zu Fremden, Ausländern und Parias gemacht werden – zuweilen auch ganz wohlmeinend.

Als dem Vater aufgrund seiner lustvollen Kochkunst in der Fabrikkantine fristlos gekündigt wird, zerbricht die Familienidylle allmählich. Sie habe lange nach einer geeigneten Sprache gesucht, so die Autorin. Mit dem Erleben eines Kindes auf dem Weg zum Erwachsenen hat sie einen authentischen Mikrokosmos entwickelt, der zum Reflektieren einlädt, ohne den moralischen Zeigefinger zu heben.