Fred Wesley (73) hat als Bandleader von James Brown Musikgeschichte geschrieben. Rückblickend spricht er über seinen einstigen Boss nicht gut. Mit seiner Band The New JBs spielt er am Montreux Jazz Festival
Fred Wesley: Es macht immer noch Spass. Wenn einem etwas so Freude bereitet wie mir die Posaune, dann gefällt einem das ein Leben lang. Bis zu dem Tag, an dem man stirbt.
Die Pensionszahlungen der Musikergewerkschaft und die Einnahmen aus meinen Aufnahmen würden uns schon über Wasser halten. Aber wenn ich aufhöre, müssten wir uns einschränken.
«Papa Don’t Take No Mess»: ein Song, den ich 1974 mit James Brown geschrieben habe. Der bringt mir bis heute die meisten Tantiemen ein. Der und ein Soundtrack, den ich für James Brown geschrieben und aufgenommen habe: «The Big Payback». Aber auch die Mini-Tantiemen summieren sich, weil sich unsere Musik immer noch verkauft und im Radio läuft.
Genau so war’s. Am meisten gefällt mir Jazz, vor allem Bebop. Als ich mit Count Basie spielte, hatte ich weniger Geld. Aber so viel Freude mit der Musik wie nie zuvor. Das heisst aber nicht, dass ich mit James Brown und Funkadelic keinen Spass hatte.
Eigentlich wollte der in Mobile, Alabama, geborene Posaunist Jazz spielen. Doch die Gagen dort reichten nicht. Deshalb war er bei Ike & Tina Turner und in den 60er-Jahren trat er der Band von James Brown bei und bildete mit Maceo Parker (Altsax) und PeeWee Ellis (Tenorsax) eine stilbildende Hornsection. In den 70er-Jahren wurde er Bandleader. 1975 verliess er James Brown und heuerte bei George Clinton’s Parliament-Funkadelic an. 1978 schloss er sich der Big Band von Count Basie an. In den 80er-Jahren bildete er mit den alten Brown-Kumpels Maceo Parker und PeeWee Ellis die JB Horns und gründete 1996 seine eigene Band: Fred Wesley and the New JBs, die in diesem Sommer in Montreux spielt. (sk)
Weil ich eine Familie hatte und ein grosses Haus, das es abzuzahlen galt. Und weil mir Produzenten-Jobs winkten, mit denen ich mehr verdienen konnte.
Das war ein richtig guter Job. Bei den Turners bekam ich 25 Dollar pro Konzert. Und sie traten siebenmal in der Woche auf. Aber, wissen Sie, Geld hat mir damals nicht so viel bedeutet. Ich war jung, hatte keine Verpflichtungen und wollte einfach ein möglichst guter Musiker werden. Die Musik war das Ziel, nicht das Geld.
Zunächst 250 Dollar die Woche. Als ich die Leitung der Band übernahm, hat er auf 500 Dollar die Woche erhöht. Egal, wie viele Konzerte wir gespielt haben.
Am Anfang haben wir 300 Tage im Jahr gespielt. Das ging ungefähr zwei Jahre so und wurde dann weniger, weil wir bald so viel im Studio wie auf Tour waren. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten wir jeden Tag gespielt.
James Brown zahlte immer nur, was er zahlen wollte. Aber er wusste, dass ich gehen würde, wenn ich nicht genug verdiene. Also hat er mich im Studio und als Co-Writer gutes Geld verdienen lassen. Als ich einmal eine Erhöhung meines Lohns als Bandleader forderte, sagte er mit seiner rauen Stimme: «Mein Sohn, du machst so viel Geld im Studio. Warum brauchst du eine Erhöhung?»
Ich war nicht nur Bandleader, sondern Psychologe. Ich musste mich um Psycho-James kümmern, genauso um die Musiker und die Tontechniker. Ich musste alles am Laufen halten.
Wenn James im Leben etwas wollte, dann Geld und nochmals Geld. Ich glaube, dass er von klein auf wusste, dass er sein Geld niemals so verdienen würde wie andere Leute. Auch deswegen hat er sich das Herz so aus dem Leib getanzt und geschrien.
Klar. Um die Band zu kontrollieren und zu manipulieren – besonders mich. Er wusste, dass ich eine Familie zu ernähren habe. Jeder Musiker, der bei James Brown spielte, war irgendwann so angenervt, dass er gehen wollte. Aber die meisten blieben doch. Manche kamen sogar zurück. Und meistens wegen des Geldes.
Wenn jemand falsch gespielt hatte oder nicht anständig gekleidet war, gab’s eine Geldbusse. Aber im Leben der meisten James-Brown-Musiker war das nur ein Detail, weil die Band von sich aus so präzise wie möglich spielen und so gut wie möglich aussehen wollte. Wir waren stolz, die Band von James Brown zu sein – die hardest working Band im Showbusiness. Und so haben wir auch gespielt. Es war nicht alles schlecht bei James Brown. Ich zum Beispiel habe in dieser Zeit gelernt, wie man Platten produziert und im Studio arbeitet.
Es gab einige, die alles für sich ausgegeben haben – Typen ohne Skrupel und vor allem Singles. Auch weil es auf Tour so einfach ist, Geld auszugeben.
Auch für Drogen. Wenn diese Typen dann pleite waren, wollten sie sich was borgen. Aber mir ist das Gott sei Dank nicht passiert. Ich bin einmal in der Woche zu Western Union gegangen und habe meiner Familie Geld überwiesen.
Das war leider so. Das habe ich zigfach erlebt.
Vermutlich hatte es mit seiner fürchterlichen Kindheit zu tun. Wenn er sein Geld richtig investiert oder für gute Zwecke verschenkt hätte, hätte er auch nicht die Probleme mit den Steuerbehörden bekommen. Aber es war ihm eben unmöglich, Geld herzugeben oder Leute anständig zu bezahlen.
Es reicht eben nicht, einfach einen Radiosender oder ein anderes Business zu kaufen. Du musst auch Geld reinstecken. So wie jeder vernünftige Geschäftsmann. Aber Investieren wollte und konnte James Brown nicht. Das viele Geld hat er mit Musik verdient – nicht mit seinen Versuchen als Geschäftsmann.
Das war alles nur Gerede, wenn Sie mich fragen. In Wirklichkeit ging es darum, dass möglichst viel Geld in seinen Taschen landete. Was da nicht reinpasste, versteckte er: In Schachteln, unter der Zimmerdecke, in Kisten, die im Boden vergraben waren, ja sogar in Bäumen. James Brown muss Millionen von Dollar im ganzen Land versteckt haben. Ich schätze, dass manche Dollars noch bis heute dort liegen.
Weil er, der Erfinder des Funk, auf einmal wollte, dass ich die Musik anderer für ihn kopiere: «Fame» von David Bowie etwa oder die Afro-Funk-Sachen. Wir hatten bis dahin immer neue Musik geschaffen. Und jetzt sollte ich auf einmal kopieren? Noch dazu Musik, die zum Teil von James Brown kopiert und inspiriert war? Nein.
Ich wollte in jedem Fall weg von James Brown. Einfach nur weg. Ohne Drogen hätte ich vielleicht nicht genau an diesem Tag gekündigt. Dann eben ein paar Tage später.
Ich weiss ehrlich gesagt nicht, ob er überhaupt schon beerdigt ist (lacht). Er war ja ziemlich lang aufgebahrt – zu Hause, dann in einem Beerdigungsinstitut. Weil die Kinder und Angehörigen sich ewig nicht einigen konnten, wo er bestattet werden sollte. Ich war auf einer seiner Trauerfeiern. Er hatte ja mehrere. Ich war da, um zu wissen, ob James Brown auch wirklich tot ist (lautes Lachen).
Klar. Und meine Ängste sind wahr geworden. Irgendwann Ende der 70er-Jahre bekamen wir mit, dass ein grossartiger Musiker auf seinem Album alles selbst eingespielt hatte – den Bass, die Gitarre, die Keyboards, einfach alles. Sein Name war Prince. Wir fanden das damals lustig. Im Rückblick war das aber der Anfang vom Ende, so Musik zu machen, wie wir das kannten. Bald wurden aus vielen Studiosessions weniger Sessions und irgendwann gar keine Sessions mehr.
Klar. Aber manchmal hat das für mich keinen richtigen Beat mehr. Alles ist so elektronisch geworden. Aber wir Alten machen trotzdem weiter, auch wenn die meisten mittlerweile Hip-Hop hören.
Stimmt. Es gab Zeiten, da konnte ich Checks über 30 000 Dollar einlösen, nur weil mich jemand gesampelt hatte. Doch das ist vorbei.
Hip-Hop war lange Zeit tatsächlich, was DJs und Hip-Hopper aus der Musik von James Brown und dem Funk gemacht haben. Aber irgendwann hat sich der Hip- Hop davon gelöst. Heute wird alles und nichts gesampelt.
Aber Sie haben doch mein Buch gelesen.
Das werde ich Ihnen auch jetzt nicht sagen. Nur so viel: Es war teuer.
Ich auch nicht. Aber so ist das Leben.
Live: Fred Wesley & the New JB’s am 2. Juli, Montreux Jazz Festival.