Der Teufel auf dem Schwingfest –Freilichttheater in Ennetmoos spielt Jeremias Gotthelfs «Die schwarze Spinne»

Gotthelfs «Die schwarze Spinne» als groteske Bauernapokalypse mit starken Bildern: Am Mittwoch war Vorpremiere des Freilichttheaters in einer Fassung von Christoph Fellmann (Text) und Ursula Hildebrand (Regie) in Ennetmoos.

Marion Wannemacher
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«Die schwarze Spinne» auf dem Allweg in Ennetmoos ist modernes Theater mit grotesken Zügen. (Bild: Manuela Jans-Koch, Ennetmoos, 22. Mai 2019)
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Die Premiere ist am 24. Mai. (Bild: Manuela Jans-Koch, Ennetmoos, 22. Mai 2019)
Insgesamt gibt es 20 Aufführungen bis am 29. Juni. (Bild: Manuela Jans-Koch, Ennetmoos, 22. Mai 2019)
(Bild: Manuela Jans-Koch, Ennetmoos, 22. Mai 2019)
(Bild: Manuela Jans-Koch, Ennetmoos, 22. Mai 2019)
(Bild: Manuela Jans-Koch, Ennetmoos, 22. Mai 2019)
(Bild: Manuela Jans-Koch, Ennetmoos, 22. Mai 2019)
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(Bild: Manuela Jans-Koch, Ennetmoos, 22. Mai 2019)
(Bild: Manuela Jans-Koch, Ennetmoos, 22. Mai 2019)
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(Bild: Manuela Jans-Koch, Ennetmoos, 22. Mai 2019)
(Bild: Manuela Jans-Koch, Ennetmoos, 22. Mai 2019)
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(Bild: Manuela Jans-Koch, Ennetmoos, 22. Mai 2019)
(Bild: Manuela Jans-Koch, Ennetmoos, 22. Mai 2019)
(Bild: Manuela Jans-Koch, Ennetmoos, 22. Mai 2019)
(Bild: Manuela Jans-Koch, Ennetmoos, 22. Mai 2019)

«Die schwarze Spinne» auf dem Allweg in Ennetmoos ist modernes Theater mit grotesken Zügen. (Bild: Manuela Jans-Koch, Ennetmoos, 22. Mai 2019)

Was ist nur mit den Schweizer Bauern los? Hof, Kühe, Familie, Kinder, ehrliche schwere Arbeit an idyllischer Lage, gutmütige Schwingfeste mit ehrbaren Gewinnern und Lebendpreis. Ist das nicht Swissness pur mit verlässlichen Werten? Die Realität in Christoph Fellmanns Fassung auf Mundart von Jeremias Gotthelfs Klassiker «Die schwarze Spinne» sieht anders aus: Gitzle (Sabine Christen) und Gopf (Sascha Bieri) sind geschieden. Nine (Pia Murer) und der Chlotz (Hannes Büeler) haben «mehr Kinder als Tiere» und kämpfen in ihrem Bergheimet gegen Naturkatastrophen und Behörden. Bauer Rotsch (Urs Kafader) leidet an einem Burn-out.

Der Luzerner Theaterautor greift den fesselnden Sagenstoff vom Teufelspakt auf und versetzt ihn in die Gegenwart der bäuerlichen Szene, genauer gesagt an ein Schwingfest als Inbegriff der Schweizer Tradition. «Es ist die schizophrene Haltung der Begeisterung für alles Ländliche, die aber völlig ausblendet, wie es den Bauern wirklich geht», sagt Fellmann. Bewusst hat sich das Team um Regisseurin Ursula Hildebrand, die bereits das Freilichtspiel zum 400-Jahr-Jubiläum des Stanser Klosters St. Klara inszeniert hat, für den Platz in Ennetmoos entschieden. Hier werden jedes Jahr die besten Schwinger der Innerschweiz erkoren.

Kein alter Wein in neuen Schläuchen

Eine Freilichtinszenierung ist immer ein Wagnis. «Wie füllt und leert man so eine Landschaft? Was ist atmosphärisch möglich? Alles findet im Grossen statt», sagt Ursula Hildebrand nach der Vorpremiere am Mittwochabend, die eigentlich eine Generalprobe vor den Sponsoren war. Mit dem Ergebnis dieser Aufführung zeigt sie sich sehr zufrieden. «Die schwarze Spinne» auf dem Allweg in Ennetmoos ist kein neu servierter Klassiker, sondern modernes Theater mit grotesken Zügen, das am Ende nicht den Funken einer Hoffnung lässt.

Doch worum geht es? Ein Speaker moderiert ein Schwingfest. Während der sechs Gänge spielt sich die Handlung ab. Grossbauer Stoff (Carmen Frei) vom «Höcherobenabehohburghubu» fordert von den Bauern die Pflanzung von hundert Buchen innerhalb einer Woche ein. Wie bei Gotthelf verspricht auch in dieser Fassung Fons als Teufel Abhilfe. Er verlangt dafür ein ungetauftes Kind. Stine (Nadia Odermatt) schliesst schliesslich mit ihm den verhängnisvollen Pakt. Wie von Zauberhand sind dann die Buchen plötzlich da. Obwohl zwei Kinder dennoch getauft werden können, wartet Fons lässig ab.

Aus Stines Wange erwachsen nach seinem Kuss Spinnen, die Verderben über Land und Leute bringen. Der Pfarrer (Roland Graf), der Religion und Glaube zur oberflächlichen Farce degradiert, wird über der eigenen Hilflosigkeit wahnsinnig und stirbt ebenfalls. Der Teufel lehnt gar das ihm dargebrachte Opfer ab, das Kind von Bibse (Iva Vaszary). Am Schluss überleben nur Stine, Gopf und Chlotz. Warum, erschliesst sich nicht aus der Handlung. Das Trio schwingt gemeinsam aus in die dunkle Nacht. Und unter ihnen leuchten die Lichter von Stans.

Zweifelsohne ist die Inszenierung packend, sind allein die Schwingerszenen authentisch und ästhetisch anzuschauen. Der Regisseurin gelingt es, die grosse Naturbühne zu bespielen, starke symbolische Bilder zu schaffen. Der schmierige Speaker (eine wunderbare Rolle für Profischauspieler Jürg Plüss, auch bekannt aus Rollen im «Tatort» und dem «Bestatter») hängt erschöpft am Kreuz.

Teufel Fons (Profi Mathias Ott spielt ihn wunderbar überlegen und grosskotzig) lümmelt lässig auf seinem klapprigen VW-Bus, einem Imbisswagen. Er kann warten. «Ich schaue noch ein bisschen zu, das ist meine Welt, ich weiss, dass ihr mir jederzeit so ein Kind gebt, sobald ich will», lautet seine Devise. Die Schauspielerinnen und Schauspieler in den folkloristisch-trashigen Kostümen von Nina Steinemann arbeiten sich den Hang hinauf, verwickeln sich in meterlange Schleier, kämpfen gegen die unsichtbaren allgegenwärtigen Spinnen und verlieren.

Szenischer Klangteppich

Bewusst stellen Ursula Hildebrand und Christoph Fellmann das apokalyptische Desaster in Kontrast zur lieblichen Landschaft auf dem Allweg, brechen mit jeglichem Idyll des Bauernstandes. Ging es Gotthelf um den Kampf der Mächte und um die Haltung zu Gott, so thematisiert diese Inszenierung im 21. Jahrhundert Globalisierung, gesellschaftlichen Wandel, Hofsterben und Klimawandel. Diese Themen aber bleiben allzu häufig in Klischees stecken.

Für die Leistung der zwölf Laienspieler aus der regionalen Theaterszene gibt es nur einen Ausdruck: grossartig. Besonders die Liebesszene zwischen Fons und Stine und die pointierten Monologe sind treffend gespielt. Grosses Lob verdienen auch David Koch (Gesang, elektronische Sounds, E-Gitarre) und Peter Estermann (Piano), die mit ihrem szenischen Klangteppich die Atmosphäre wie mit Filmmusik verdichten.

Insgesamt ist „Die schwarze Spinne“ eine anspruchsvolle Inszenierung, die das Publikum fordert. Es muss sich auf einiges gefasst machen.

Premiere am 24. Mai, 20.45 Uhr. Aufführungen bis am 29. Juni auf dem Festgelände Ennetmoos. www.schwarzespinne.ch

Der Trailer zur «Schwarzen Spinne»