Kultur
Demonstration für das Kino: Bei den Golden Globes kassiert Netflix eine Schlappe

In der Nacht auf heute wurden in Hollywood die wichtigsten Preise neben den Oscars für Film und TV vergeben. Mit drei Kinofilmen ging ausgerechnet der für seine TV-Serien bekannte Streamingdienst Netflix als Favorit ins Rennen. Doch es gewannen andere.

Daniel Fuchs
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Holen für Netflix die Kastanien aus dem Feuer: Laura Dern (links) erhält einen Golden Globe für ihre Nebenrolle in «Marriage Story», Olivia Colman einen für ihre Rolle in «The Crown».

Holen für Netflix die Kastanien aus dem Feuer: Laura Dern (links) erhält einen Golden Globe für ihre Nebenrolle in «Marriage Story», Olivia Colman einen für ihre Rolle in «The Crown».

CH Media

Es lässt sich wie ein trotziges Statement fürs Kino interpretieren: Bei der 77. Verleihung der Golden Globe Awards in Hollywood letzte Nacht gewann nicht der als Favorit gehandelte Netflix-Film «Marriage Story» von Noah Baumbach, sondern der Kriegsfilm «1917» von Sam Mendes. Diese Heldengeschichte aus den Schützengräben Frankreichs gegen Ende des Ersten Weltkriegs kommt daher, als wäre es als eine einzige Sequenz gedreht worden.

Die Kinozuschauer wähnen sich mitten im Überlebenskampf zweier britischer Soldaten, die einem Himmelfahrtskommando gleich eine Kompanie vor einer Falle der Deutschen warnen sollen. In der Schweiz läuft der Film erst nächste Woche im Kino an. Die Jury krönte «1917» als bestes Filmdrama und zeichnete Sam Mendes (beste Regie) aus.

Ganz andere Töne schlägt «Marriage Story» an. Kammerspielartig aufgebaut, behandelt er als Liebesdrama die Scheidung zwischen einer Schauspielerin und einem Theaterregisseur. Der Film läuft bereits auf Netflix und war im Dezember während zwei Wochen in wenigen Schweizer Kinos zu sehen. Diese zeigten sich über die Zuschauerzahlen enttäuscht (diese Zeitung berichtete).

«Marriage Story» war für die Golden Globes gleich 6-fach nominiert. Die beiden Hauptdarsteller Scarlett Johansson und Adam Driver hätten eine Auszeichnung für ihre Leistung jedenfalls genauso verdient wie der Regisseur Baumbach, der am Set eine unglaubliche Akribie von den Darstellern verlangte. Und sie mit überraschenden Kniffs immer wieder an die Grenzen trieb, was den unglaublich gut gespielten Streitszenen anzumerken ist.

Auch bei den Serien gewannen andere als Netflix

Sechs Nominationen, ein Preis: Nur in der Kategorie beste Nebendarstellerin gewann «Marriage Story». Der Preis geht an Laura Dern, die uns Zuschauer als Scheidungsanwältin nervt, aber konsequent für ihre Mandantin, die Schauspielerin, in den Ring steigt.

Netflix schwang im Vorfeld der Golden Globe Awards aber auch mit «The Irishman» von Martin Scorsese und «The Two Popes» von Fernando Meirelles (beide 5 Nominationen) obenauf. Beide Filme sind online abrufbar und liefen auch in der Schweiz im Kino. Zu einer Auszeichnung reichte es für beide nicht.

Netflix war zwar Favorit, Auszeichnungen erhielten aber vor allem Kinoproduktionen. Einen Golden Globe (bester Hauptdarsteller) gab es für Joaquin Phoenix, der in der Batman-Vorgeschichte «Joker» eins wird mit dem Antagonisten des Superhelden, dem Joker. Beste Hauptdarstellerin ist Renée Zellweger in «Judy» von Ruppert Goold, die als Musicalsängerin Judy Garland überzeugt. «Judy» und «Joker» laufen bei uns (noch) im Kino. Die Preise sind verdient, etwas überraschend dagegen die Auszeichnung als beste Komödie für Quentin Tarantinos Hollywood-Persiflage «Once Upon A Time In Hollywood», die in der Schweiz letzten Sommer im Kino lief.

Geradezu zurechtgestutzt wurde der Online-Riese Netflix auch bei den TV-Preisen. Bei den Serien räumte vor allem der US-Konkurrent HBO ab. Zwei Auszeichnungen erhielt «Succession» (beste Dramaserie und Brian Cox als bester Hauptdarsteller), die in der Schweiz nicht erhältlich ist.

Beste Mini-Serie ist «Chernobyl», die Verfilmung der Nuklearkatastrophe von 1986 in Tschernobyl (in der Schweiz auf Sky Show abrufbar). Und als beste TV-Hauptdarstellerin wurde Phoebe Waller-Bridge gekürt, die in der biritischen BBC-Produktion «Fleabag» eine einsame Grossstädterin spielt.

«Fleabag» erhielt auch die Auszeichnung für die beste Serien-Komödie. In der Schweiz läuft sie auf Amazon Prime. Das für seine Serien bekannte Netflix heimste nur für die dritte Staffel von «The Crown» einen Preis ein (Olivia Colman in der Rolle von Queen Elisabeth II. als beste Hauptdarstellerin im Serien-Drama).

Reine Männerliste für die beste Regie

Etwas überraschend war, dass die Mini-Serie von Netflix „When They See Us“ überhaupt nicht für die Golden Globes nominiert worden war. Die Verfilmung der wahren Geschichte über fünf wegen Vergewaltigungsvorwürfen fälschlicherweise hinter Gitter gelandeten New Yorker Jungs war das Serie-Ereignis 2019.

Ava DuVernay führte Regie und die Frau hätte es verdient, mit ihrer Serie ins Rennen geschickt zu werden. Das hätte die reine Männerliste bei den Filmregisseuren zumindest etwas kompensiert.