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Die Republikaner bestimmen ihren Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im nächsten Frühling. Am Donnerstagabend treten die sieben Politiker in einer TV-Debatte gegeneinander an.
Quizfrage: Wie viel ist einem Wähler bürgerlichen Zuschnitts die Demokratie wert? Antwort: zwei Euro. So viel muss bezahlen, wer an der «Primärwahl» der französischen Republikaner Ende November teilnehmen will.
Zur Wahl stehen sieben Kandidaten. Die beiden Frontrunner sind Ex-Premier Alain Juppé und Ex-Präsident Nicolas Sarkozy. Mit etwas Abstand folgen die Ex-Minister Bruno Le Maire und François Fillon. Dazu kommen Statisten wie Jean-François Copé, Nathalie Kosciusko-Morizet und der Zentrumspolitiker Jean-Frédéric Poisson.
Am Donnerstagabend werden die glorreichen Sieben in einer mehrstündigen Fernsehshow die rhetorischen Klingen kreuzen. Und schon im Vorfeld schenken sie sich nichts. Die Platzierung auf der Bühne sowie die Reihenfolge der ersten Wortmeldung, des Schlusswortes und sogar des Vorspanns der Sendung musste der Sender TF1 per Losentscheid ermitteln.
Die Redezeit ist auf jeweils eine Minute beschränkt und wird zehn Sekunden vor deren Ablauf eingeblendet; direkt angesprochene Kandidaten haben 30 Sekunden Zeit für eine Antwort. Das erste von insgesamt vier TV-Duellen dürfte von den beiden Favoriten geprägt sein. Zwei Visionen konservativer Politik stehen sich gegenüber. Der Hardliner Sarkozy will Tausende von Radikalislamisten internieren, auch wenn er den Begriff eines «französischen Guantanamo» zurückweist. Zudem reitet er auf dem Begriff der «französischen Identität» herum, der die Einwanderer auf die, wie er sagt, gemeinsamen «gallischen Vorfahren» verpflichten will.
Der auch charakterlich gemässigte Altgaullist Juppé spricht demgegenüber bewusst von einer «glücklichen Identität». Damit meint er das Bild eines harmonischen Zusammenlebens, das auch die Muslime – denn um sie geht es in der ganzen Debatte – einbindet und nicht ausgrenzt. Im Unterschied zu Sarkozy legt Juppé deshalb auch mehr Gewicht auf Wirtschaftsfragen. Er will in erster Linie die rekordhohe Arbeitslosigkeit bekämpfen, die gerade in den Banlieue-Zonen grassiert und damit einen sozialen Nährboden für Radikalismus schafft.
Beobachter rechnen mit einem harten Schlagabtausch, da Juppé die gezielten Attacken Sarkozys in letzter Zeit nicht mehr einfach abprallen lässt. Mit der ihm eigenen Hölzernheit erklärte er diese Woche selbst: «In Justizangelegenheiten ist es besser, eine Vergangenheit als eine Zukunft zu haben.»
Gemeint war, dass er sich zwar 2004 selbst eine bedingte Haftstrafe wegen politischer Scheinjobs eingehandelt hatte, wobei er nach allgemeiner Lesart den Kopf für Präsident Jacques Chirac hingehalten hatte. Sarkozy hingegen hat wohl gleich mehrere Prozesse wegen Finanzaffären zu gewärtigen, wenn er nicht gewählt wird, was ihm präsidiale Immunität verschaffen würde.
In den Meinungsumfragen führt Juppé ähnlich konstant und deutlich wie in den USA Hillary Clinton vor Donald Trump. Mit Hilfe des Chirac-Clans, der in der Partei immer noch über viel Einfluss verfügt, hat er durchgesetzt, dass an der Primärwahl nicht nur eingeschriebene Republikaner (mehrheitlich Sarkozy-Fans) teilnehmen können.
Zugelassen sind alle Franzosen, die in einem der 10 228 Wahlbüros zwei Euro zahlen und folgenden Satz unterschreiben: «Ich teile die republikanischen Werte der Rechten und des Zentrums und trete für die Wende ein, damit der Wiederaufbau Frankreichs gelingt.»
Im Internet liest man allerdings Kommentare wie: «Um Sarkozy zu verhindern, würde ich noch viel mehr unterschreiben – und zahlen.» Auf der Linken ist bereits eine Debatte im Gang, ob man an der Urwahl der Konservativen teilnehmen solle. Denn allen ist klar, dass der Sieger der Primärwahl wohl auch im Élysée landen wird: Linken Bewerbern wie Präsident François Hollande oder Ex-Minister Emmanuel Macron werden bei der Präsidentschaftswahl im Frühling 2017 genauso wenig Chancen eingeräumt wie der Rechtsextremistin Marine Le Pen.
Andere Sozialisten befürchten, dass die Vorwahl eine nicht mehr zu bremsende Dynamik für den republikanischen Spitzenkandidaten bewirken könnte. «Wenn sich die Idee durchsetzt, dass man die Rechte wählen muss, um die harte Rechte zu verhindern, hört die Linke zu existieren auf», warnte selbst Hollande.