Heute beginnt der Primär-Wahlkampf der Konservativen. In Umfragen liegt Sarkozy gleichauf mit dem bisherigen Favoriten Juppé.
Die «primaire» der französischen Republikaner (Konservativen) könnte Ende November bereits darüber bestimmen, wer im kommenden Mai als neuer Staatspräsident in den Élysée-Palast einziehen wird. Denn die wichtigsten Widersacher zur Rechten wie zur Linken – Front-National-Chefin Marine Le Pen wie auch den sozialistischen Präsidenten François Hollande – scheinen laut allen Wahlprognosen chancenlos zu sein.
Es kann deshalb nicht verwundern, dass bei den Republikanern gleich acht Kandidatinnen und Kandidaten zur internen Ausscheidung antreten. Klarer Favorit war vor kurzem noch der ehemalige Premierminister Alain Juppé. Hinter dem gemässigten Bürgermeister der Weinstadt Bordeaux folgte mit Abstand Ex-Präsident Nicolas Sarkozy. Um den dritten Startplatz kämpfen Ex-Premier François Fillon und der Technokrat Bruno Le Maire.
Zum Auftakt der Kampagne dreht sich alles um Sarkozy. Der Staatschef von 2007 bis 2012 spaltet die Nation weiterhin: Man liebt ihn oder man hasst ihn – Letzteres gilt namentlich auch für seinen eigenen Ex-Premier Fillon. Und er war bisher in guter Gesellschaft: Noch diesen Sommer wollten vier Fünftel der Franzosen nicht, dass Sarkozy ein zweites Mal antritt.
Doch nun wittert das kleine, aber motivierte Sarkozy-Lager Morgenluft: Laut einer neuen Umfrage von vergangener Woche hat ihr Idol erstmals mit Juppé gleichgezogen: Beiden werden in der Primärwahl 37 Prozent der Stimmen gutgeschrieben.
Sarko-Veteranen frohlocken bereits, Juppé werde das gleiche Schicksal wie Edouard Balladur 1995 erleiden: Der damals bereits fürs Élysée «gesetzte» Edelgaullist wurde vom schlecht gestarteten Jacques Chirac zuletzt abgefangen. Die Sarkozysten stellen Juppé mit dieser Parallele als den gleich weichen «Bourgeois» wie Balladur hin, während sich Sarkozy gerne mit dem «Haudegen» Chirac vergleicht. Der Vergleich hinkt allerdings schon deshalb, weil Sarkozy anno 1995 selber auf Balladur gesetzt hatte und damit Verrat an seinem Ziehvater Chirac beging.
Jetzt, wo dieser 83-jährig – und mit schwerer Lungenentzündung – im Spital liegt und seine Familie mit dem Schlimmsten rechnet, entdeckt Sarkozy plötzlich wieder seine grenzenlose Hingabe zu dem Altgaullisten, der heute bei den Franzosen populärer ist als Sarkozy, Juppé und Hollande zusammen.
Sarkozy hat den Widerspruch noch nie gescheut. In einer neuen, mehrstündigen Polit-Talkshow des Senders France-2 vollzog er vergangene Woche in bewährter Manier eine Kehrtwende um die andere. Die Homo-Ehe billigt er anders als früher; dafür möchte er die Verfassung ändern, um zum Beispiel das islamische Badkleid Burkini verbieten zu können. «Guantánamo» lehnt er offiziell ab, mit der Internierung von Radikalislamisten auf blossen Verdacht hin strebt er hingegen das Gleiche an.
Sich selber vergleicht Sarkozy mit der Hollywood-Figur Rocky, der nach seinen Boxniederlagen auch immer wieder zurückgekehrt sei. Noch zu Anfang dieses Jahres hatte er sich in einem Buch eher konfuzianische Gaben attestiert («Der Bogenschütze ist ein Vorbild für jeden Weisen.»). Jetzt schlägt der 62-Jährige wieder einen aggressiven Kurs nach rechts ein, um nicht zuletzt den um zehn Jahre älteren Weisen Juppé aus dem Busch zu klopfen.
Dass er dafür als billige Kopie des Originals Le Pen bezeichnet wird, ist Sarkozy gleich: Hauptsache, er dominiert die öffentliche Debatte mit seinen durchaus telegenen Auftritten, die immer hart an der Grenze zur Demagogie und Dichtkunst sind. Sarkozy betreibt, das muss man ihm lassen, seine Schauspielerei weiterhin sehr gekonnt. Erstaunlicher ist, dass er damit wieder viele Franzosen zu überzeugen beginnt. Bis zur Primärwahl vom 20. und 27. November wird er seine Nummer noch oft wiederholen können. Und dann ist in seinen Augen erst Halbzeit – auf dem Weg zurück ins Élysée. Der mittlerweile 72-jährige Juppé hat hingegen bereits jetzt Mühe, mit Sarkozys Tempo mitzuhalten.