Der bisherige Aussenminister übernimmt das Regierungsmandat des zurückgetretenen Sebastian Kurz. Ob sich Schallenberg aus dem Schatten seines Vorgängers lösen kann, bezweifeln viele.
Am Montag um 13 Uhr wurde Alexander Schallenberg als Nachfolger des zurückgetretenen Sebastian Kurz vereidigt. Es ist das vorläufige Ende einer steilen Politkarriere im Schatten der anderen.
Alexander Schallenberg scheinen die Jobs nur so zuzufallen. Als Spross einer adeligen Familie, geboren 1969 als Diplomatensohn in Bern, trat er als 28-Jähriger 1997 in den Dienst des österreichischen Aussenministeriums. Lange Jahre war er der Presse-Mann hinter den Aussenministern der Alpenrepublik.
Kaum ein Journalist im Land also, der Schallenberg nicht persönlich kennt: Als Hansdampf, als launigen Gesprächspartner, als Analytiker verfahrener Lage, als einen Mann zugleich aber auch, der gerne einmal ein Bier trinkt. Als einen Menschen, den man in Wien schon einmal ganz zufällig in einer Bar antrifft. Schallenberg hat sich lange halten können im Aussenministerium. Minister wechselten, Schallenberg blieb.
Bis 2013. Da begann sein Aufstieg. Erst wurde er unter Aussenminister Sebastian Kurz Leiter der Stabsstelle für strategische aussenpolitische Planung, 2016 übernahm er die Leitung der Europa-Sektion, 2017 war er Verhandler der ÖVP in den Koalitionsgesprächen mit der FPÖ und schließlich wechselte er zusammen mit seinem Chef Sebastian Kurz 2017 ins Bundeskanzleramt und koordinierte Östterreichs EU-Vorsitz 2018.
Ein Aufstieg hinter den Kulissen also. Als eines galt der geschiedene Vater von vier Kindern in all den Jahren allerdings nie: Als Teil der Kurz-Bubentruppe.
Auf die grosse politische Bühne trat Schallenberg erst nach Veröffentlichung des sogenannten «Ibiza»-Videos 2019, das die korrupten Machenschaften des damaligen FPÖ-Vizekanzlers Heinz-Christian Strache zu Tage brachte und die Regierungskoalition zwischen Kurz’ ÖVP und Strache’s FPÖ zu Fall brachte.
Als politisch wenig profilierter Beamter wurde Schallenberg Aussenminister in der Expertenregierung nach Zerfall der ÖVP-FPÖ-Regierung. Schallenberg war und ist einer, mit dem alle politischen Lager leben konnten. Ein Kompromiss. Ein Mann, der sich nie mit halsstarrigen Beton-Positionen hervorgetan hat, sondern immer abwägte und analytisch argumentierte.
Zugute kam Schallenberg in seinem Amt sein eigener internationaler Werdegang. Er wuchs in Indien, Spanien und Frankreich auf – den Botschafterstationen seines Vaters -, bevor er in Wien und Paris Rechtswissenschaften studierte. Das Amt des Aussenministers hatte er bis zuletzt inne. Schallenberg formulierte in der Sache oft weicher als der zurückgetretene Kanzler Kurz, in der Botschaft aber war er auf einer Linie mit dem ÖVP-Chef.
Als Politiker liess er wenig eigene Kanten erkennen. Schallenberg ist ein intelligenter Mann, einer der sehr genau weiss, was realpolitisch im Rahmen des Möglichen liegt und was nicht. Was allerdings die Partei-Linientreue angeht, hat sich Schallenberg sehr wohl auf die Kurz-Linie einkalibriert.
So trug er bis zuletzt etwa die Linie des Kanzlers mit, dass man abgelehnte Asylwerber nach Afghanistan abschieben werde – bis zu jenem Zeitpunkt, als es plötzlich keine Linienflüge nach Kabul mehr gab. Oder in Zusammenhang mit dem Brand im Flüchtlingslager Moria, wo Schallenberg in Beamten-Manier eher ungelenk die hart Kurz-Linie mittrug und betonte, das «Geschrei um Verteilung der Migranten» sei keine Lösung.
Diese politische Treue zu Kurz ist es, die berechtigte Zweifel daran aufkommen lässt, ob der 52-Jährige als Chef einer Regierung mit Kurz als Parteichef überhaupt je ein eigenes Profil wird entfalten können.