Rom droht in seinem Müll unterzugehen. Das hat jetzt politische Konsequenzen. Schafft die Ewige Stadt die Wende?
Auf Roms Strassen sind die Wildschweine los. Ein Video zeigt vier ausgewachsene Sauen, die eines Sommerabends an einer Apotheke vorbeilaufen, zwischen ihren Hufen trippeln fünf Frischlinge. An den vorbeifahrenden Autos stören sie sich nicht.
Szenen wie diese spielen sich in der italienischen Hauptstadt zuletzt immer häufiger ab. Anwohner erzählen, wie viel Sicherheitsabstand sie einhalten, um keine Bekanntschaft mit den Stosszähnen der neuen Nachbarn zu machen.
Bisher ist es noch zu keinem Zwischenfall gekommen. Doch den Römern ist das Lachen längst vergangenen. Ihre Stadt wird seit Jahren dem Verfall überlassen, die Wildschweine sind nur der neuste Beweis dafür. «Rom ist die dreckigste Stadt Italiens», sagt der Journalist Lorenzo D’Albergo, 35, der seit mehr als zehn Jahren für die Zeitung «La Repubblica» über die Hauptstadt berichtet.
Das Magazin «Time Out» kürte D’Albergos Heimat kürzlich gar zur dreckigsten Tourismusmetropole der Welt. Resigniert erklärt der Journalist bei einem Espresso im historischen Zentrum: «Die Wildschweine dringen immer weiter in die Stadt vor, weil sie in den überquellenden Müllcontainern Fressen finden.»
Die Schuld für diesen Zustand gaben die meisten Römer der Bürgermeisterin Virginia Raggi, die vor fünf Jahren für die populistische Fünf-Sterne-Partei ins Rathaus eingezogen ist. Sie hatte versprochen, mit dem korrupten Establishment aufzuräumen. Ihr Slogan:
«Zeit, Rom zu verändern»
Und Rom veränderte sich – doch leider zum Schlechten.
Dafür ist Raggi nun bei der Kommunalwahl am Wochenende abgestraft worden: Die Zustimmung für ihre Fünf-Sterne-Partei stürzte im ersten Wahlgang ab. Raggi qualifizierte sich nicht für die Stichwahl, die nun Enrico Michetti für die Mitte-rechts-Parteien und der ehemalige Wirtschaftsminister Roberto Gualtieri für die sozialdemokratischen PD am 17. und 18. Oktober unter sich austragen.
Die Wildschwein-Invasion zeigt, dass Raggi für die grossen Probleme der Ewigen Stadt nicht mal im Ansatz eine Lösung gefunden hat. Ihre Partei blockierte den Bau einer neuen Müllverbrennungsanlage. Der Abfall wird teils bis nach Norditalien chauffiert und für teures Geld entsorgt.
Dabei ist der Müll nur die Spitze des Eisbergs: Roms Strassen sind marode, der öffentliche Verkehr eine Katastrophe. Letzterer ist dauerhaft überlastet und immer wieder gehen Busse mitten in der Stadt wegen mangelnder Wartung in Flammen auf.
Einige Bürger ertrugen diesen Niedergang schliesslich nicht länger und schlossen sich zur Initiative «Retake Roma» – zu deutsch etwa: «Hol dir Rom zurück» – zusammen. Heute kämpfen rund 15'000 Freiwillige in ihrer Freizeit gegen den städtischen Verfall.
Arianna Cacciotti, 34, lange schwarze Haare, rote Kirschen auf der Bluse, ist eine von ihnen. «Es ist doch deprimierend, wenn man jeden Morgen in eine dreckige, chaotische Stadt kommt. Darum tue ich etwas dagegen», erklärt die Kunsthistorikerin.
Neben ihr nehmen zwei Gärtner Schönheitskorrekturen vor: Der eine stutzt das Unkraut auf einem Mittelstreifen, der andere zieht eine Staubwolke im Park Appio Claudio hinter sich her, während er das gelbe Gras mäht. «Man sagt, das passiert immer vor der Wahl. Aber fünf Jahre Vernachlässigung kann man halt nicht in einem Monat aufholen», sagt Cacciotti.