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Die Westschweizer Polizei hat eine Französin verhaftet, die ihre eigene Tochter entführt hatte – mit Hilfe von Verschwörungsaktivisten.
Die Affäre hatte Frankreich fünf Tage lang in Atem gehalten: Eine Mutter lässt ihre eigene Tochter entführen, nachdem sie das Sorgerecht verloren hatte. Tagelang war völlig unklar, wie es der kleinen Mia (8) geht.
Am Sonntagnachmittag dann die erlösende Nachricht: Mia sei bei «guter Gesundheit» vorgefunden worden sei, sagte der französische Staatsanwalt François Pérain. Am Morgen hatte die Waadtländer Polizei das Mädchen und seine Mutter in einem verlotterten Fabriklokal in der Schweizer Gemeinde Sainte-Croix unweit von Yverdon-les-Bains gefunden. Beide wurden in Gewahrsam genommen.
Die kleine Mia war am vergangenen Dienstag von einem gut vorbereiteten Kommando verschleppt worden. Drei Männer besuchten im Vogesenort Les Poulières bei Mias Grossmutter, die seit Januar das Sorgerecht für das Mädchen hat. Sie gaben sich als Vertreter der Kinderhilfe aus und wiesen gefälschte Dokumente vor. Die Grossmutter fiel auf den Trick herein und übergab Mia in die Obhut der Männer. Daraufhin fuhren diese mit dem Mädchen in einem Lieferwagen davon.
Der Grossmutter kam das Vorgehen der drei Männer trotz allem seltsam vor. Sie erkundigte sich bei den Behörden – die von nichts wussten. Daraufhin wurde in ganz Frankreich eine Grossfahndung mit regelmässigen Radiomeldungen ausgelöst.
Nach kurzer Zeit wurden fünf Männer im Alter zwischen 23 und 60 Jahren gefasst. Sie bezeichneten sich als Gegner des «Systems» und der «staatlichen Diktatur» in der aktuellen Pandemie. Mit ihrem «militärischen» Akt hätten sie einer der ihren (Mias Mutter) zu ihrem natürlichen Fürsorgerecht verhelfen wollen.
Warum Mia im Januar ihrer Mutter Lola Montemaggi weggenommen worden war, ist unbekannt, aber nicht sehr schwer zu erraten. Die als freundlich, aber labil geltende 28-jährige Frau war nie zur Schule gegangen, sondern zuhause unterrichtet worden. Später schlug sie sich als Kellnerin durch und schloss sich der Sozialbewegung der «Gilets jaunes» (Gelbwesten) an. Lola Montemaggi geriet zudem immer mehr in die Fänge von Verschwörungstheoretikern.
In den sozialen Medien wurde die Frau diese Woche etwa von Anhängern der Verschwörungsplattform QAnon oder des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump unterstützt.
Die Flucht in die Schweiz war wohl ebenfalls vorausgeplant worden. Laut dem Staatsanwalt brachten Komplizen Lola und Mia Montemaggi an die Grenze bei Saint-Dizier-L’Evêque. Die beiden Französinnen überquerten die Grenze zu Fuss und wurden nahe bei Pruntrut von einem «Systemgegner» abgeholt. Dieser in der Schweiz wohnhafte – und inzwischen verhaftete – Franzose fuhr sie in ein Hotel in Estavayer-le-Lac. Am nächsten Morgen brachte sie eine zum gleichen Milieu zählende Frau in die besetzte Fabrik in Sainte-Croix.
Dort wurden die Gesuchten von der Polizei aufgespürt. Die Mutter, die bei der Festnahme keinen Widerstand geleistet haben soll, kam in Haft. Die französischen Behörden wollen die Auslieferung der Mutter beantragen und das Kind wie zuvor der Obhut seiner Grossmutter überweisen.