Europa
Grüne nach Treffen mit EU-Kommissar Sefcovic: «Es gibt kein positives Zeichen aus der Schweiz, das in Brüssel ankommt»

Kurz vor der heutigen Gesprächsrunde zwischen Staatssekretärin Livia Leu und der EU reiste eine Delegation der Grünen in die EU-Hauptzentrale. Parteipräsident Balthasar Glättli verteidigt den Besuch: «Wir machen keine Paralleldiplomatie.»

Remo Hess, Brüssel
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Die Grünen-Delegation in Brüssel: Nationalrätin Sibel Arslan, Generalsekretär Florian Irminger, Präsident Balthasar Glättli und Fraktionschefin Aline Trede.

Die Grünen-Delegation in Brüssel: Nationalrätin Sibel Arslan, Generalsekretär Florian Irminger, Präsident Balthasar Glättli und Fraktionschefin Aline Trede.

Bild: RH

Gedrängtes Programm für eine Delegation der Schweizer Grünen in Brüssel: Eine Woche nach der Vorstellung ihrer Europainitiative haben Parteipräsident Balthasar Glättli, Fraktionschefin Aline Trede, Nationalrätin Sibel Arslan und Generalsekretär Florian Irminger einen dreitägigen Besuch – natürlich mit dem Zug – in der EU-Hauptstadt absolviert.

Neben ihren Kollegen von den europäischen Grünen trafen sie auch den für die Schweiz zuständigen Vizepräsidenten der EU-Kommission, Maros Sefcovic. Und dies notabene bloss einen Tag, bevor die Schweizer Staatssekretärin Livia Leu selbst in der Stadt ist. Deren Ziel ist: herausfinden, ob es nach dem Ende des Rahmenabkommens noch eine tragfähige Basis für neue Verhandlungen mit der EU gibt.

Glättli: «Leu kommt mit leerem Rucksack»

Glättli verteidigt den Besuch: «Wir machen keine Paralleldiplomatie», so der Zürcher Nationalrat im Gespräch mit Journalisten als Antwort auf die Kritik, die schon im Nachgang zum Brüssel-Besuch einer SP-Delegation im Mai laut wurde. Die Reise sei mit dem Departement von Ignazio Cassis abgesprochen gewesen. Und Fraktionschefin Aline Trede ergänzt: «Es ist unsere Pflicht, als grösste Oppositionspartei hierhinzukommen, da alle unsere Vorstösse abgelehnt wurden.»

Die Grünen-Delegation trifft Maros Sefcovic, den für die Schweiz zuständigen Vizepräsidenten der EU-Kommission.

Die Grünen-Delegation trifft Maros Sefcovic, den für die Schweiz zuständigen Vizepräsidenten der EU-Kommission.

EC

Mit Kritik am Bundesrat hielt sich die Delegation wenig zurück: «Für uns Grüne ist klar: Wenn der Bundesrat unseren Aussenminister öfter nach Peking als nach Brüssel schickt, dann ist das die falsche Prioritätensetzung», so Glättli. In den Gesprächen habe man gemerkt, dass es nach der Beerdigung des Rahmenabkommens durch den Bundesrat im Mai 2021 nicht nur an Verständnis für die Schweiz mangle. Sondern, dass man weiterhin auch auf ein glasklares Bekenntnis vom Bundesrat warte, dass man es wirklich nochmals versuchen wolle. Glättli: «Es gibt kein positives Zeichen aus der Schweiz, das in Brüssel ankommt.»

Das liege nicht einmal an Chefverhandlerin Leu, sondern daran, dass ihr der Bundesrat nichts mit auf den Weg gebe. Glättli: «Man darf nicht eine Staatssekretärin mit leerem Rucksack nach Brüssel schicken.» Die Schweiz müsse Lösungsvorschläge machen. Dazu komme, dass die EU ohnehin gerade genug zu tun habe. Trede: «Es gibt einen Krieg in Europa. Hier wartet niemand auf die Schweiz.»

Für die Grünen müsste die Schweiz aber auch versuchen, sich abseits der komplexen Diskussionen um die institutionellen Fragen überall dort einzubringen, wo es möglich sei. Vorschläge hatte die Delegation zur Hand: Zum Beispiel soll sich die Schweiz um ein Andocken an die europäische Solarallianz, um eine tatkräftige Beteiligung am Wiederaufbau in der Ukraine oder ein Mitmachen bei der europäischen Demokratiestiftung bemühen. Glättli: «Es braucht auch Olivenzweige von Seiten der Schweiz.»

Zu den institutionellen Streitfragen sagt Glättli: «Wir sind der Überzeugung, die konkreten Probleme kann man lösen, wenn man miteinander spricht.» Dazu sollte sich der Bundesrat auch bemühen, Sefcovic in die Schweiz einzuladen, damit er sich mit Bundesrat und Zivilgesellschaft austauschen könne. Laut Glättli sei die Bereitschaft dazu von der EU-Seite gross. Ein Treffen im Juni kam jedoch wegen Terminschwierigkeiten von Bundespräsident Cassis nicht zu Stande.

Zur konkreten Frage, wie die Grünen das Problem mit dem Lohnschutz lösen wollen, den auch sie nicht einschränken wollen, verwies Glättli auf den Streitschlichtungsmechanismus. Den hätten die Grünen stets akzeptiert, inklusive Europäischen Gerichtshofs. Entscheidend sei, dass die Verhältnismässigkeit allfälliger Retorsionsmassnahmen unabhängig beurteilt würde. Zur Blockade der Forschungszusammenarbeit sagt Aline Trede: «Es ist klar, dass dies ein Powerplay ist und eine Situation, in der alle verlieren.» Glättli: «Aus unserer Sicht schwächt das die proeuropäischen Kräfte in der Schweiz.» Das habe man klar zum Ausdruck gebracht, und er habe gemerkt, dass dies auch so registriert wurde.