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Stehaufmännchen Nicolas Sarkozy will sich morgen Samstag zum Chef der Rechtspartei UMP küren lassen. Seine Konkurrenten überlassen ihm das Feld – und begehen damit möglicherweise einen grossen Fehler.
Er kehrt zurück wie Napoleon von der Insel Elba – im Triumphzug durch Frankreich, dann im Handstreich nach Paris. Natürlich schnödet eine böse Zunge in der französischen Tageszeitung «Figaro», man wisse, wo das Ganze geendet habe (gemeint ist natürlich Waterloo).
Nicolas Sarkozy zieht trotzdem durchs Land, hält in Provinzorten Meeting um Meeting ab. Und der «Figaro», das Hoforgan des Ex-Präsidenten, notiert brav die anbiedernden Sprüche und saloppen Verdrehungen, die der «Kandidat» allabendlich von sich gibt. Sogar das linke Magazin «L’Obs» muss vor so viel Unverfrorenheit den Hut ziehen: «Mit einem olympischen Mut ausgestattet, zudem frei von jedem Über-Ich, hält Nicolas Sarkozy alles für erlaubt».
Jetzt ist er also wieder Kandidat. Nicht für das Amt des Staatschefs – «das kommt später», versichert er seinen Fans immerhin. Fürs Erste bewirbt sich der Zampano mit den traurigen Augen und dem flotten Mundwerk nur um den Vorsitz der «Union für eine Volksbewegung» (UMP), die Grosspartei der Rechtsopposition. Das ist der Auftakt zum grossen Showdown von 2017. Zum Remake mit dem Schauspieler Sarkozy, zur triumphalen Rückkehr und ultimativen Revanche an all jene, die ihm an jenem rabenschwarzen 6. Mai 2012 François Hollande, diesen biederen Normalbürger, vorgezogen hatten.
Das Vorspiel ist eine Formalie. Sarkozy hat heute Samstag nur zwei Gegenkandidaten der zweiten Garnitur: Den Polterer Hervé Mariton, der gegen die Homo-Ehe demonstriert, und den etwas sichtbareren Bruno Le Maire, der die affärengeschüttelte UMP erneuern will, aber ausser seinen Profi-Kommunikatoren nicht viel Handfestes vorzuweisen hat.
Sarkozy werden in Umfragen
68 Prozent der Stimmen und damit der Sieg bereits im ersten Wahlgang vorhergesagt. Vollmundig kündigt er einen neuen Parteinamen und eine neue Organisation an. Bleiben wird der einzige Zweck der Partei: ihrem Chef eine Wahlmaschine zu bieten. Das tat sie für ihren Gründer Jacques Chirac und dann für Sarkozy, der im November 2004 schon einmal mit
85 Prozent UMP-Chef geworden war; auch damals drei Jahre vor der Präsidentschaftswahl.
Sarkozys Hauptgegner überlassen ihm das Feld. Allen voran Alain Juppé, Chiracs Ex-Premierminister, für den er ohne Murren eine 14-monatige Haftstrafe wegen Korruption eingesteckt hatte. Dabei erlebt der Bürgermeister von Bordeaux im Alter von 69 Jahren einen politischen Frühling: Laut jüngsten Umfragen hätte er die besten Chancen, 2017 nächster französischer Staatspräsident zu werden. Denn Juppé ist lockerer geworden, weiser, versöhnlicher – genau das, was die Franzosen heute wollen.
Das zweite Schwergewicht, François Fillon, gibt sich kompromisslos rechts und wirtschaftsliberal. In seinen fünf Jahren als Premier unter Sarkozy musste er offenbar so viele Kröten schlucken, dass er seinen ehemaligen Vorgesetzten geradezu hasst: Fillon macht offenbar sogar mit den feindlichen Sozialisten gemeinsame Sache, um Sarkozy die UMP-Affäre Bygmalion anzuhängen.
Juppé wie Fillon glauben, dass der Parteivorsitz nur ein Hindernis auf dem Weg ins Élysée ist und überlassen die UMP Sarkozy. Dessen Comeback im Sommer schleppte sich hin und bewirkte nicht den gewünschten Effekt: In den Umfragen hat Sarkozy seinen härtesten Rivalen nicht abgehängt – vielmehr hat Juppé bei den UMP-Anhängern sogar gleichgezogen. Trotzdem ist es gefährlich für die beiden Altgaullisten, die Geschicke der UMP ihrem quirligen und skrupellosen Widersacher zu überlassen. Juppé hätte die besten Chancen, zumal er bis ins politische Zentrum auf Anklang stösst. Aber Sarkozy will es gar nicht erst dazu kommen lassen: «Er wird als neuer Parteichef interne Primärwahlen veranstalten, bei denen er den Kreis der Abstimmenden auf den harten UMP-Kern eingrenzt, der ihm treu ergeben ist», schätzt der Politologe Dominique Moïsi.
Juppé und Fillon plädieren für offene Primärwahlen, an denen sich eben auch Mittewähler beteiligen können. Wenn Sarkozy das verhindern kann, ist er schon fast am Ziel. «Gewinne ich die Primärwahlen in der UMP, werde ich mich bei den Präsidentschaftswahlen zusammen mit Marine Le Pen im zweiten Wahlgang finden, denn Hollande ist politisch bereits tot», soll er mit der ihm eigenen Offenheit prophezeit haben.
Dem sozialistischen Staatschef werden derzeit gegen keinen einzigen Rechtskandidaten Wiederwahlchancen eingeräumt. Und gegen die Rechtsextremistin Le Pen müsste sogar die Linke in der Stichwahl Sarkozy die Stimme geben. «Die Präsidentschaftswahlen sind schon gewonnen», tönt der Mann, von dem es scheint, als wäre er eben erst aus Elba gelandet.