Der WWF soll für den Tierschutz in Asien und Afrika jahrelang über Leichen gegangen sein. Dabei ist die grösste Naturschutzorganisation der Welt der wichtigste Partner der Behörden im Kampf gegen die Wilderei.
Wenn man am frühen Morgen auf der Veranda einer der Lodges sitzt, die sich entlang des Narayani Flusses im Süden Nepals aneinanderreihen, dann hört man manchmal die schnaubenden Nashörner, die sich auf der anderen Flussseite durchs hohe Gras bewegen. Manche der Lodges haben elektrische Zäune um ihre Gärten gezogen, weil die Nashörner immer näher an ihre Bungalows herankommen. Doch die Nashörner in Nepals Dschungel-Nationalpark Chitwan werden nicht nur zutraulicher, sondern auch immer zahlreicher.
Über 600 Tiere leben heute in dem Park an der Grenze zu Indien. Während des Bürgerkrieges in Nepal zwischen 1996 und 2006 sank ihre Zahl auf unter 400. Die Soldaten, die eigentlich für die Bewachung des Parks vorgesehen waren, wurden im Kampf gegen die rebellierenden Maoisten gebraucht. Die Wilderei grassierte, Hunderte Nashörner wurden abgeschossen.
Seit dem Ende des Bürgerkrieges setzt Nepal alles daran, dass es seinen Wildtieren wieder besser geht. Der Chitwan-Nationalpark ist neben den Himalaja-Gipfeln der zweite Touristenmagnet des einstigen Königreichs. Deshalb hat der Schutz der Nashörner, Tiger und Bären oberste Priorität für das bitterarme Land. Die Wildereigesetze wurden verschärft. Wilderer werden mit bis zu 15 Jahren Gefängnis bestraft.
Wichtigster Partner der Behörden im Kampf gegen die Wilderei ist der WWF, die grösste Naturschutzorganisation der Welt. Der WWF unterstützte den Nationalpark mit Überwachungsdrohnen und zeichnete die Parkwächter mehrfach mit Preisen für ihren Einsatz für den Tierschutz aus.
Anfang Woche veröffentlichte die nepalesische Zeitung «Kathmandu Post» zusammen mit dem US-Newsportal «Buzz- feed» einen Artikel, der behauptet, dass der WWF in Nepal und in mehreren afrikanischen Ländern massive Menschenrechtsverletzungen tolerierte, um den Tierschutz voranzubringen.
Die Newsportale schildern den Fall des nepalesischen Bauern Shikharam Chaudhary, der von den Chitwan-Parkwächtern 2006 wegen Verdachts auf Wilderei gefoltert worden sei und kurz darauf verstarb. Einer der Wächter hat zugegeben, dass man Verdächtige im Verhörzentrum im Dorf Kasara unweit der Parkgrenzen mit Waterboarding und Schlägen zum Reden gebracht habe. Chaudharys Obduktion ergab, dass ihm in Haft sieben Rippen gebrochen wurden und dass er an den Folgen einer schweren Lungenverletzung starb.
Das Unheimliche an dem Fall: Der WWF wusste um die Foltervorwürfe und setzte die Zusammenarbeit mit den Parkwächtern dennoch fort. In einer Medienmitteilung, die die Umweltschutzorganisation kurz nach der Freilassung der verdächtigten Wächter veröffentlichte, feierte der WWF den Freispruch und gab zu, sich auf allen Ebenen für die Parkwächter eingesetzt zu haben.
Angehörige des verstorbenen Bauern sagten gegenüber nepalesischen Journalisten, dass der WWF sie unter Druck gesetzt habe und in ähnlichen Fällen sogar Geld angeboten hätte, wenn Anzeigen gegenüber folternden Parkwächtern fallen gelassen würden. In Indien und Kamerun soll der grüne Riese mordende Ranger finanziert und in der Zentralafrikanischen Republik eine muslimische Rebellengruppe unterstützt haben, damit diese im Gegenzug von Wilderei absehe.
Parlamentarier in den USA und in Grossbritannien riefen zu sofortigen Untersuchungen auf. Der WWF selbst kündigte eine interne Untersuchung an. Das Wohlergehen der indigenen Bevölkerung in Naturschutzgebieten sei ihnen ein zentrales Anliegen, schrieben die Tierschützer in einer Mitteilung. Schon vor fünf Jahren liess der WWF wegen angeblicher Menschenrechtsverstösse seiner Mitarbeiter in Kamerun eine Untersuchung durchführen. Die Ergebnisse des Berichts hielt die Organisation mit dem unschuldigen Panda im Logo bis heute unter Verschluss. Die «Kathmandu Post» und «Buzzfeed» haben sie jetzt veröffentlicht. Sie zeigen: Der WWF geht für den Tierschutz sehr weit, zuweilen sogar über Leichen.