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Der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo, 62, profiliert sich in der Corona-Krise als moralische Autorität. Derweil ist sein Bruder Chris, 49, ein bekannter TV-Moderator, an Corona erkrankt. Der Gouverneur wird bereits als möglicher Ersatz für den designierten demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden ins Spiel gebracht.
Er gibt den Krisenmanager. Den Patriarchen. Den Philosophen. Die wichtigste Rolle, die der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo aber derzeit spielt, ist diejenige des Mutmachers. In seinen täglichen Pressekonferenzen, die von den drei führenden Nachrichtensendern häufig direkt übertragen werden, findet der demokratische Politiker häufig die richtige Balance zwischen kühlen Analysen und emotionalen Appellen.
Zielpublikum sind nicht nur die 19,5 Millionen Bewohner seines Staates. Vielmehr spricht der 62-Jährige zu sämtlichen Amerikanern, als sei er Gouverneur der USA. So sagte Cuomo am Freitag: Die Corona-Pandemie gleiche einem «sich langsam fortbewegenden Hurrikan», der das Gesundheitssystem überfordert. Und: Mit den Problemen, mit denen sich New York, mit offiziell über 113'700 Corona-Infizierten das amerikanische Epizentrum der Pandemie, derzeit konfrontiert sehe, werde sich früher oder später auch der Rest des Landes herumschlagen. Die Bevölkerung Amerikas müsse sich deshalb gegenseitig unterstützen. «Kein Staat kann dies allein bewältigen», sagte Cuomo.
«Die Corona-Pandemie gleicht einem sich langsam fortbewegenden Hurrikan.»
Diese eindringlich vorgetragene Botschaft stösst auf offene Ohren. Gemäss einer aktuellen Umfrage des Siena College Research Institute sind 87 Prozent der New Yorker zufrieden mit der Arbeit ihres Gouverneurs – ein weit besserer Wert als Präsident Donald Trump. Ähnlich gute Noten erhielt der Gouverneur von New York zuletzt kurz nach Amtsantritt im Jahr 2011.
Nun ist Cuomo nicht der einzige Exekutivpolitiker in einem der 50 US-Bundesstaaten, der in der aktuellen Krise einen zweiten Frühling erlebt. So schwimmen auch die Gouverneure Mike DeWine in Ohio, Larry Hogan in Maryland, Gavin Newsom in Kalifornien und Jay Inslee in Washington – zwei Republikaner und zwei Demokraten – auf einer Zustimmungswelle, wiewohl sie aus anderem Holz geschnitzt sind.
Cuomo profitiert zudem davon, dass New York City immer noch die Medienhauptstadt Amerikas ist; und dass er Mitglied einer dieser politischen Dynastien ist, die von vielen amerikanischen Medienschaffenden mit einer Mischung aus Faszination und Hass begleitet werden.
Bereits Vater Mario amtierte als Gouverneur von New York: Während seiner Amtszeit von 1983 bis 1994 galt Mario unter Parteifreunden als nationale Lichtgestalt, obwohl er sich letztlich nie dazu überwinden konnte, die Präsidenten Ronald Reagan und George H.W. Bush herauszufordern. Ex-Ehefrau Kerry, von der sich Andrew Cuomo 2005 scheiden liess, war eine Tochter von Robert F. Kennedy und eine Nichte von John F. Kennedy. Indirekt ist Gouverneur Cuomo also mit dem berühmt-berüchtigten Kennedy-Clan verbandelt.
Der 49-jährige Bruder des Gouverneurs, Chris Cuomo, hat auf dem Nachrichtensender «CNN» eine abendliche Gesprächssendung, in der sich auch der Regierungschef von New York regelmässig launig zu Wort meldet – auch wenn nicht alle Journalisten das Geplänkel zwischen den Brüdern amüsant finden. Die Medienkritikerin der «Washington Post» schrieb indes, den beiden zuzusehen, mache «überraschenderweise süchtig». Chris wurde am 31. März positiv auf das Coronavirus getestet. Er meldet sich auf «CNN» aber immer noch regelmässig zu Wort, live aus der Quarantäne. Obwohl er bisweilen starkes Fieber hat.
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— If You Don't Know, Now You Know (@IfYouDontKnowN4) April 1, 2020
Dennoch zeigen sich lokale Politbeobachter höchst erstaunt über die Sympathiebekundungen zugunsten Cuomos. Sie erinnern daran, dass der Gouverneur am linken Flügel seiner Partei lange als Hassfigur galt – so lieferte er sich immer wieder Machtkämpfe mit dem New Yorker Stadtpräsidenten Bill de Blasio, einem Parteikollegen, der einst als Hoffnungsträger der Progressiven galt und nun mit der Krise überfordert ist. Auch zog der Gouverneur einen harten Sparkurs durch, unter dem insbesondere das Gesundheitssystem litt.
Deshalb wurde er 2018, am Ende seiner zweiten Amtszeit, durch die Aktivistin und Schauspielerin Cynthia Nixon herausgefordert, die sich empört darüber zeigte, dass Cuomo viel Verständnis für republikanische Ideen habe. (Nixon scheiterte kläglich; in der demokratischen Vorwahl gewann sie nur 34 Prozent der Stimmen.) Cuomo schien sich an dieser Kritik nicht allzu sehr zu stören; mit Beleidigungen wie «Bulldozer» oder «Tyrann» hat er schon lange Frieden geschlossen. So sagte einer seiner Berater vor zwei Jahren einer New Yorker Zeitschrift: «Der Gouverneur ist der Meinung, er sei ein Hammer. Deshalb sehen alle andere aus wie ein Nagel.»
Als Politiker alter Schule, der sein Handwerk von seinem 2015 verstorbenen Vater gelernt hatte, weiss Cuomo: Eine Krise ist auch eine Chance. Nur zu gerne erinnert er Journalisten und Fernsehzuschauer deshalb derzeit daran, dass er in den Neunzigerjahren als Wohnbauminister unter Präsident Bill Clinton amtierte, und deshalb ganz genau wisse, wie die Regierung in Washington funktioniere. Als ihn sein Bruder Chris aber vorige Woche fragte, ob die Gerüchte stimmten und er Aspirationen auf das Weisse Haus hege, sagte er kurz und knapp: «Nein.» Er bewerbe sich nicht um die Präsidentschaft.