Coronavirus
Geschäftsmieten-Vorlage löst die Probleme der KMU nicht

Die Geschäftsmieten-Vorlage der Regierung stösst fast reihum auf Kritik. Diese sei ein Murks und sei zu wenig grosszügig ausgestattet.

Hans-Martin Jermann
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Im fast menschenleeren Liestaler Stedtli: Der Corona-Lockdown brachte viele Geschäftsmieter in Schwierigkeiten.

Im fast menschenleeren Liestaler Stedtli: Der Corona-Lockdown brachte viele Geschäftsmieter in Schwierigkeiten.

Kenneth Nars

Wer trägt den wirtschaftlichen Schaden des Lockdown? Das ist eine umstrittene, noch immer ungelöste Frage – auf nationaler und kantonaler Ebene. Im Baselbiet sollen die Geschäftsmieten der Monate April bis Juni im Rahmen freiwilliger Vereinbarungen je zu einem Drittel vom Mieter, Vermieter und Kanton getragen werden. Die Regierung hat dazu – von einer Landratsmehrheit Mitte Mai beauftragt – gegen ihren Willen einen Vorschlag ausgearbeitet. Dieser stösst nun fast reihum auf Kritik.

Kritikpunkt eins: der Zeithorizont. «Viele Restaurants und andere KMU kämpfen ums Überleben. Für sie muss so rasch wie möglich eine Lösung bei den Geschäftsmieten her», sagt Fabienne Ballmer, Vizepräsidentin von Gastro Baselland. Die Vorlage tritt frühestens am 1. Oktober in Kraft – und dies nur, wenn es zu keiner Volksabstimmung kommt. Zu spät, findet Ballmer. Im Gegensatz zu den Notverordnungen, die von Regierung und Landrat innert Wochen durchgepaukt wurden und längst in Kraft sind, geht der Miet-Kompromiss den ordentlichen Prozess, der zu Normalzeiten gilt.

«Probleme der KMU sind nicht gelöst»

Kritikpunkt zwei: Umfang und Bedingungen der Staatshilfe. Die Regierung will maximal 10 Millionen Franken zur Verfügung stellen. Profitieren können de facto nur wenige KMU; nämlich jene, die pro Monat eine Nettomiete zwischen 7'500 und 9'000 Franken berappen. Die Untergrenze von 7'500 Franken ergibt sich daraus, dass die bereits gesprochene Soforthilfe zu 100 Prozent an die Berechnung des Anspruchs bei den Geschäftsmieten angerechnet wird. Das sei unverständlich, kritisiert Ballmer. «Die Soforthilfe hat den Betrieben zwar sehr geholfen. Doch damit sind deren Probleme nicht gelöst.» Sie hatten neben den Mieten noch andere hohe Fixkosten zu bezahlen.

SP-Präsident Adil Koller hat im Landrat die Geschäftsmieten-Idee gemeinsam mit Christof Hiltmann (FDP) und Pascal Ryf (CVP) lanciert. Über das Ergebnis schüttelt er den Kopf: «Die Regierung hat den von uns zurechtgelegten Penalty verschossen. Das ist für Hunderte KMU im Kanton enttäuschend.» Tatsache ist aber auch: Baselland hat – als einer von wenigen Kantonen – Soforthilfen an KMU zur Deckung von Fixkosten gesprochen. Bisher wurden 40 Millionen Franken ausbezahlt. Finanzdirektor Anton Lauber (CVP) verteidigt die in der Mietvorlage eingebauten Bedingungen. «Wir wollen damit vor allem Klein- und Kleinstbetriebe unterstützen.» Mit der Obergrenze von 9'000 Franken seien über 90 Prozent der Baselbieter Geschäftsmieter abgedeckt.

Die Anrechnung der Soforthilfen soll verhindern, dass Betriebe doppelt profitieren. Laut einer Studie von Wüest + Partner bezahlt die Hälfte aller Geschäftsmieter weniger als 1'500 Franken pro Monat. Mit der Soforthilfe stünden den KMU aber 2500 Franken pro Monat, 7'500 Franken in den drei Monaten, zur Verfügung. Das heisst, dass mit der Soforthilfe weit mehr als «nur» die Miete dieser Betriebe abgedeckt sei, betont Lauber.

Den Vorwurf, es dauere zu lange, weist Lauber als unverständlich zurück: «Die Zeit der Notverordnungen sind vorbei. Für die Regierung ist glasklar, dass wir die Geschäftsmieten in einem ordentlichen Verfahren regeln.» Immerhin habe man die Vernehmlassung stark – von drei Monaten auf fünf Wochen – verkürzt. Koller ist nicht überzeugt: Die Regierung habe die Notlage im Kanton wenige Tage vor Publikation der Vorlage aufgehoben. «Statt klar zu sagen, dass sie bei den Geschäftsmieten keine Lösung will, hat sie eine miserable Vorlage ausgearbeitet, die sie nun auch noch zeitlich verzögert.»

Regierung will bloss die Kantonskasse schützen

Zu dieser Taktik gehört laut den Kritikern, dass der Baselbieter Drittel-Kompromiss laut Vorlage von einer Bundeslösung übersteuert wird, sollte Letztere tatsächlich kommen. In National- und Ständerat sind Motionen überwiesen worden, wonach die Vermieter auf 60 Prozent der ausstehenden Geschäftsmieten verzichten müssen; die Mieter bezahlen 40 Prozent. Andreas Dürr, FDP-Fraktionschef und Spezialist im Immobilienrecht, widerspricht: «Es ist überhaupt nicht so, dass Bundesrecht kantonale Lösungen zwingend übersteuert.» Vorliegend habe der Bund gar kein Interesse daran. Dürr vermutet, dass die Regierung diesen Passus eingebaut hat, um die Kantonskasse vor weiteren Ausgaben zu schützen.

Andreas Dürr, FDP-Fraktionschef und Jurist «Es ist nicht so, dass Bundesrecht kantonale Lösungen zwingend übersteuert.»

Andreas Dürr, FDP-Fraktionschef und Jurist «Es ist nicht so, dass Bundesrecht kantonale Lösungen zwingend übersteuert.»

Roland Schmid

Inhaltlich sei die auf freiwilligen Vereinbarungen beruhende Kantonslösung jener auf Bundesebene klar vorzuziehen, betont Dürr. Auch deshalb, weil damit sowohl Mieter als auch Vermieter besser fahren. Wie sich die FDP äussern wird, ist gleichwohl offen. Schliesslich seien Eingriffe in den freien Markt, die zudem mit Staatsausgaben verbunden seien, ordnungspolitisch heikel, sagt Dürr. Dennoch: Das Njet der Regierung wird im bürgerlichen Lager längst nicht von allen geteilt. Rot-Grün stand bei Behandlung der Motion im Mai geschlossen hinter der Idee eines Mietenkompromisses, auch wenn nun Kritik an der von der Regierung ausgearbeiteten Vorlage kommt. Das wird ein spannendes Tauziehen nach den Sommerferien.