Alpenflug
Oskar Bider: Bilderbuchkarriere eines Flugpioniers

Oskar Biders Name steht für die Meilensteine in der Frühzeit der Schweizer Aviatik: So sein Alpenflug im Juli 1913.

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Oskar Bider am 26. Juli 1913 nach der Ankunft auf der Schützenmatt in Basel nach dem Rückflug von Mailand.

Oskar Bider am 26. Juli 1913 nach der Ankunft auf der Schützenmatt in Basel nach dem Rückflug von Mailand.

Johannes Dettwiler

«Oski, tu’s nicht», soll Meister Fueg, Chefmechaniker der Schweizer Fliegerabteilung in Dübendorf, geschrien haben, als er Oskar Bider am frühen Morgen des 7. Juli 1919 am Himmel über Dübendorf zuschaute, wie er mit der Nieuport No. 604, einem Doppeldecker, nach seinen Loopings zu einem gewagten Steuermanöver ansetzte.

Diese Szene beschrieb Jakob Spalinger in einem Brief an seine Eltern. Spalinger war Ingenieur und ehemaliger Bürokollege von Oskar Bider und sah ebenfalls zu, wie Biders Flugzeug senkrecht auf dem Boden aufschlug. Bider habe nach dem Aufprall noch etwa fünf Minuten gelebt, sei aber nicht mehr zur Besinnung gekommen, hiess es im Brief weiter. Die Nacht zuvor hatte Bider zusammen mit Freunden verbracht – feuchtfröhlich in verschiedenen Hotels in Zürich. Er feierte seinen Rücktritt als Cheffluglehrer der Fliegertruppen in Dübendorf. Bider plante, in die zivile Luftfahrt zu wechseln. Nach einer erfolgreichen militärischen Karriere.

1911 verbrachte der gelernte Landwirt ein Jahr in Argentinien, wo er bei einer Schweizer Familie auf der Farm arbeitete und vom Fliegen träumte. Ende des gleichen Jahres machte der junge Bider das Schweizer Fliegerbrevet sowie das französische und damit auch das internationale.

Als Erster über die Alpen

Nur knapp drei Monate nach Beginn seiner Flugausbildung gelang ihm Anfang 1913 der internationale Durchbruch: Mit seiner Blériot, einem Eindecker, überquerte er vom südfranzösischen Pau aus als Erster die Pyrenäen. Das Flugzeug hatte er für rund 20'000 Franken aus seinem Erbe gekauft. Im Sommer des gleichen Jahres gelang dem Schweizer Piloten die nächste Sensation: Oskar Bider überquerte am 13. Juli 1913 die Alpen, einen Tag nach seinem 22. Geburtstag.

Zwischen 1912 und 1914 trug Bider über 1000 Flüge in sein Bordbuch ein und im August 1914 rückte er als Korporal bei der Schweizer Fliegerabteilung ein; mit seiner privaten Maschine, so wie es zu Beginn des Aktivdienstes von der Armee angeordnet wurde. 1915 wurde Bider erster Cheffluglehrer der Fliegerabteilung, 1917 vorzeitig Oberleutnant. Nach dem Krieg, im Frühsommer 1919, wandte sich Bider der zivilen Luftfahrt zu und gehörte zur Gründergruppe des Lufttourismus-Unternehmens «Ad Astra», was sich organisatorisch wie finanziell als schwieriges Vorhaben mit vielen Unsicherheiten herausstellte.

Laut Bider-Kenner Johannes Dettwiler war Oskar Bider zwar erfolgreich, aber er habe isoliert gelebt und sei enormen psychischen Belastungen ausgesetzt gewesen. Auch hätten wohl die Unsicherheiten beim neuen Unternehmen zum Freitod-Entscheid beigetragen, meint Dettwiler. So ist zum Beispiel im erwähnten Brief Spalingers zu lesen, dass Meister Fueg noch auf der Unfallstelle gesagt haben soll: «Bider hat seinem Leben ein Ende machen wollen, das ist meine volle Überzeugung.»

Der Brief ist eines von vielen Dokumenten, die Dettwiler zur Familie Bider gesammelt, ausgewertet und in einem Online-Archiv veröffentlicht hat. Diese Website wurde von einer entfernten Verwandten, von Verena Adele Bider, Direktorin der Zentralbibliothek Solothurn, initiiert. Auch sie bestätigt, dass vieles auf Selbstmord hindeutet. Sie weist aber auch darauf hin, dass die Verantwortlichen der Militärfliegerei ein Interesse daran gehabt hatten, das Fliegen als nicht generell gefährlich darzustellen.

Leny Biders tragischer Tod

Am 10. Juli 1919 wurde Bider in Langenbruck beerdigt: zusammen mit seiner Schwester Julie Helene «Leny» Bider. Sie hatte sich gleichentags aus Gram erschossen, nachdem sie vom Tod ihres Bruders erfahren hatte.

Ein Beobachter in einem der drei Ehrenflugzeuge aus Dübendorf hielt den Trauerzug im Bild fest, aus der Luft, weltweit wohl zum ersten Mal, so der in Thun lebende Dettwiler. Es wurde dies quasi Oskar Biders letzte Pioniertat in jener Frühzeit der Aviatik.

www.oskar-bider-archiv.ch/