Binningen
Nach Rückhol-Aktion des Ehemanns: Altersheim schmeisst Bewohnerin raus

Wegen des Coronavirus holte Paul Bossert seine demente Frau nach Hause. Die Heimleitung sieht jetzt das Vertrauensverhältnis gestört. Zurückkehren kann die Frau nicht mehr.

Benjamin Wieland
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bz Bewohnerin APH Binningen
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Das Alters- und Pflegeheim Binningen setzt die in der Corona-Nordverordnung vorgesehenen Besuchsverbote um und lässt es deshalb auch nicht mehr zu, dass Angehörige von Bewohnerinnen und Bewohnern bei der Betreuung mithelfen.
Der Mann dokumentierte auch mehrere Wunden bei seiner 72-jährigen Frau, die von Stürzen herrühren müssen.
Seit seine Frau wieder bei ihm lebe, gehe es ihr den Umständen entsprechend gut, sagte der Rentner. Auch habe sie wieder zugenommen, an Ostern habe sie nur noch 49,9 Kilogramm gewogen.
Die Leitung des Alters- und Pflegeheim Binningens schreibt, man bedauere, dass man die Mitbetreuung durch Angehörige untersagen müsse, doch zum Schutz der Bewohnerschaft und der Mitarbeiter sei die Massnahme während einer Epidemielage leider unerlässlich. Auch die Lockdown-Lockerungen am 11. Mai ändern an dieser Tatsache nichts.
Massnahmen wie das Angurten würden selten, zeitlich begrenzt und fast immer zum Schutz der Betroffenen angewendet.

bz Bewohnerin APH Binningen

Paul Bossert

Am 2. Mai holte der Basler Paul Bossert seine demente Ehefrau aus dem Alters- und Pflegeheim Schlossacker in Binningen ab – und brachte sie nicht mehr zurück. Der 82-Jährige wirft dem Personal Vernachlässigung vor und betreut seine Frau seither zu Hause. Jetzt hat ihm die Stiftung Alters- und Pflegeheime Binningen mitgeteilt, es künde den Heimvertrag per Ende Juni.

Imre Emmerth, Präsident des Stiftungsrats, schreibt Bossert, man gehe davon aus, dass er «nicht mehr zwingend auf einen Heimplatz» angewiesen sei. «Offenbar sind Sie – zumindest in letzter Zeit – auch nicht mehr mit der Pflege zufrieden.» Man bedauere den Schritt, ohne Vertrauen sei jedoch eine «essentielle Grundlage» nicht mehr gegeben. Der Vertrag könne von Seiten Bossert früher gekündigt werden, ergänzt Emmerth. Dann würden keine weiteren Kosten anfallen.

Pflegende Angehörige wurden ausgesperrt

Bossert bezichtigt die Heimleitung des «Isolationswahnsinns»: Sie setze die Coronarichtlinien zu rigide um. Ihm, der einen essenziellen Teil der Betreuungsarbeit geleistet habe, sei es wochenlang nicht mehr erlaubt gewesen, seine Frau zu sehen. «Dabei haben ein Bekannter und ich im Schnitt pro Tag rund fünf Stunden aufgewendet, haben meiner Frau zum Beispiel jeweils das Mittag- und Abendessen eingegeben.»

Bis Ostern sei die 72-Jährige auf 49.9 Kilogramm abgemagert. Bossert brachte sie ins Felix-Platter-Spital, damit sie wieder zu Kräften kommt. Nachdem man ihm versichert hat, man schaue gut zu seiner Frau, brachte er sie zurück. Doch er musste feststellen, dass sie an den Rollstuhl gegurtet wird.

Das Heim stellte sich auf den Standpunkt, es müsse das Besuchsverbot im Rahmen des Corona-Lockdowns durchsetzen. Ausnahmen könnten keine gestattet werden, auch nicht für pflegende Angehörige.

Paul Bossert sagt auf Anfrage: «Ich weiss noch immer nicht, wie es weiter geht.» Er suche ein neues Heim und erwäge, die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) einzuschalten.