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Die Deponie Höli in Liestal entwässert praktisch nie über die installierten Sicherleitungen. Behauptet wurde allerdings etwas anderes.
Hanspeter Schwob ist ein exzellenter Tierfilmer. Kürzlich zeigte der pensionierte Laborant in Liestal auf Einladung des lokalen Natur- und Vogelschutzvereins einen Film über Höhlenbrüter. Doch bei seinen fast täglichen Waldspaziergängen fielen dem Liestaler nicht nur nistende Waldkäuze, Spechte und Kleiber auf, sondern auch Ungereimtheiten rund um die Entwässerung der Deponie Höli, die er ebenfalls auf Film bannte. Sein Befund: «Die Entwässerung funktioniert nicht.»
Dass es tatsächlich Widersprüchlichkeiten gibt, zeigt ein Augenschein vor Ort. Am Fuss des über 100 Meter hohen Deponiedamms, dem höchsten Damm im Baselbiet, erklärt eine Informationstafel von der Bürgergemeinde Liestal und der Deponie Höli die Funktionsweise der Entwässerung: Fünf Rohre sammeln das Sickerwasser am Deponieboden und leiten es aus der Deponie ins Absetzbecken davor. Dieses Becken besteht aus zwei Kammern – einer grösseren, die das austretende Wasser aufnimmt, und einem kleineren Überlaufbecken. In Letzterem wird die Wasserqualität geprüft. Ist das Wasser sauber, wird es in die drei nachgelagerten Amphibienweiher respektive in den Weideli-Bach geleitet. Ist es schmutzig, sorgen Schieber dafür, dass es direkt in die Kanalisation fliesst.
Das ist die Theorie gemäss Infotafel, die in einem Nebensatz auch noch auf «geringe» Wassermengen hinweist. Dass das nicht so funktioniert, ist nur schon daran erkennbar, dass das Überlaufbecken randvoll mit Mergel zugeschüttet ist.
Wie dann? Dominic Utinger vom Amt für Umweltschutz und Energie (AUE), das die Aufsicht über die Deponien im Kanton hat, sagt: «So ein Absetzbecken ist eher unüblich, die Klappe zur Kanalisation gar einzigartig. Aber die Deponie Höli wollte auf Nummer sicher gehen und alles Wasser fassen, das fassbar ist. Wir fanden diese vorsorgliche Massnahme begrüssenswert.» Aufgrund der geologischen Beschaffenheit des Schleifenbergs – der Liestaler Hausberg mit nicht weniger als drei grossen Deponien ist ein Karstgebiet – sei man aber davon ausgegangen, dass kaum je Sickerwasser in das Absetzbecken fliesse. Und so sei es in den neun Jahren, in denen die «Höli» in Betrieb ist, auch gewesen. Einmal habe das AUE ausfliessendes Sickerwasser messen können, der Befund sei «unauffällig» gewesen. So habe man in Absprache mit Naturschutzorganisationen das Überlaufbecken vor ein paar Jahren mit Mergel zugeschüttet und verleihe Amphibien so zusätzlichen Lebensraum.
Bei der «Höli» handelt es sich um eine Inertstoffdeponie (neu redet die Fachwelt von einer Deponie vom Typ B) für mineralische Abfälle wie Misch- und Mauerabbruch, schwach belastetes Aushubmaterial, Asbestzement, Fensterglas oder auch gewisse betriebliche Abfälle wie Ausschuss aus der Keramikproduktion. Dieser Deponie-Typus braucht weder Boden- noch Seitenabdichtungen. Deshalb versickere das Regenwasser rasch im durchlässigen Karstsystem und gelange nicht zu den ausgelegten Sickerleitungen. Im Tal trete es dann wieder aus oder fliesse direkt in den Ergolz-Schotter, schildert Utinger das Entwässerungsregime der «Höli».
An sechs Stellen im Abflussbereich der Deponie nehme ein Fachbüro alle sieben Monate Wasserproben. Zu den Resultaten sagt der Ressortleiter Ressourcenwirtschaft und Anlagen beim AUE: «Sie waren bisher alle unauffällig, das heisst unter den Grenzwerten. Von der stofflichen, aber natürlich nicht von der bakteriellen Belastung her handelt es sich um sauberes Wasser.» Einzig die Sulfatgehalte seien erhöht, was bei einer Inertstoffdeponie wegen dem Gips klassisch, aber nicht kritisch sei.
Auf die Frage, was man sich denn unter «schwach belastetem Aushubmaterial», das zwei Drittel des Deponieguts ausmacht, vorstellen müsse, nennt Utinger Material mit Fremdstoffen wie Spuren von Heizöl, Schwermetallen oder Polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen. Für ihn ist die «Höli» «eine Vorzeigedeponie in Sachen Deponieführung und Monitoring». Nicht aber vom Mengen-Management her, wie er einen Atemzug später anfügt. Damit spielt er auf die viel zu rasche Auffüllung an, ein Dauerkonflikt zwischen Kanton und Deponie Höli AG.
Zurück an den Fuss des Deponiedamms: Dass kein Sickerwasser in die als Teil der ökologischen Ausgleichsmassnahmen zum Deponiebau angelegten Weiher fliesst, schadet diesen und ihren Bewohnern – Bergmölche, Feuersalamander und diverse Frosch- und Krötenarten – offenbar nicht. Guido Masé vom Fachbüro Oekoskop, das im Auftrag der «Höli» die Weiher betreut und überwacht, sagt: «Die Weiher werden vom Regenwasser gespeist und waren noch nie trocken. Die Ausgleichsmassnahmen im Bereich Amphibien funktionieren voll und die Situation ist für diese Tiere viel besser als vorher.»
Damit scheint es den Amphibien besser zu gehen als den Höhlenbrütern im Liestaler Wald. Denn laut eingangs erwähntem Tierfilm kommen diesen zusehends die fürs Brutgeschäft bevorzugten Altholz-Bäume abhanden.