Neben den eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Abstimmungen finden am 28. November im Baselbiet auch noch die Friedensrichterwahlen für die Amtsperiode 2022 bis 2026 statt. Wieso diese wichtiger sind, als man denkt.
«Dieses Informationsblatt darf nicht als Wahlzettel verwendet werden», warnt die Baselbieter Landeskanzlei. Wer es sich einfach macht und bloss das ausgedruckte Kandidaturen-PDF aus dem Internet ins Wahlcouvert steckt, erweist seinen bevorzugten Personen einen Bärendienst. Wie üblich zählen nur die offiziellen Wahlzettel, wenn es darum geht, am 28. November die neuen Baselbieter Friedensrichterinnen und -richter zu bestimmen.
Irgendwie ist dieser Warnhinweis, in Fettschrift dazu, bezeichnend. Von allen kantonalen Wahlen waren bisher schon die Richterwahlen jeweils jene mit der geringsten öffentlichen Resonanz. Erstmals überhaupt werden im Baselbiet nur noch die Friedensrichterinnen und -richter an der Urne vom Volk gewählt. Dies verringert den Aufmerksamkeitsgrad zusätzlich.
Alle übrigen Richterposten werden dieser Tage vom Landrat auf Basis der durch die Parteien vorgeschlagenen Kandidaturen bestimmt. Am vergangenen Donnerstag machte die Wahl für die Sitze am Kantonsgericht, an den Spezialgerichten und den Zivilkreisgerichten den Anfang. Am 2. Dezember folgen im Parlament noch jene für das Strafgericht, das Zwangsmassnahmengericht und das Jugendgericht.
Kampfwahlen stellen hierbei die Ausnahme dar. Wer von einer Partei nominiert wird und nicht in den Fraktionshearings durchfällt, hat den Richterstuhl auf sicher. Dies gilt etwa für die soeben als Landrätin zurückgetretene Sara Fritz. Die Birsfelder EVP-Politikerin wird kommende Woche von ihren ehemaligen Landratskolleginnen und -kollegen zur neuen nebenamtlichen Strafrichterin gekürt.
Aber selbst bei den Friedensrichterinnen und Friedensrichtern muss sich nur eine Minderheit am kommenden Sonntag dem Wahlvolk stellen. Von den 15 Friedensrichterkreisen sind in deren 10 Stille Wahlen durchgeführt worden. Überall dort, wo die Anzahl der gemeldeten Kandidaturen mit den je zwei verfügbaren Sitzen übereinstimmte, hat die Regierung diese schon bestätigt. Dies trifft auf die Wahlkreise Aesch, Reinach, Allschwil, Oberwil, Liestal, Bubendorf, Frenkendorf, Pratteln, Sissach und Gelterkinden zu.
Zu Kampfwahlen kommt es nur gerade in Binningen/Bottmingen, Muttenz/Birsfelden sowie dem Oberbaselbieter Kreis 15 (u. a. mit Langenbruck, Reigoldswil und Waldenburg). In diesen gibt es mehr Kandidaturen als freie Plätze. Eine Besonderheit sind die Wahlgänge in Arlesheim/Münchenstein sowie dem Laufentaler Kreis 8: Dort stellten sich zu wenig Personen zur Verfügung, weswegen auch diese Kandidaturen vom Volk bestätigt werden müssen.
Laut dem aktuell geltenden Gesetz über die Politischen Rechte sind nur dann Stille Wahlen möglich, wenn Anzahl Kandidaturen und offene Sitze übereinstimmen. Den Behörden ist der Widersinn dieser Regelung bewusst: «Es ist eine Revision der Politischen Rechte unterwegs, mit der dies angepasst wird – so, dass auch eine erste Stille Wahl durchgeführt werden könnte, wenn nicht für alle Sitze Kandidierende zur Verfügung stehen», schreibt der 2. Landschreiber Nic Kaufmann auf Anfrage. Die Vernehmlassung der entsprechenden Gesetzesrevision lief bis 19. Oktober und werde zurzeit ausgewertet.
Wichtig zu wissen: Neben den gemeldeten Kandidaturen sind am Wahlsonntag alle im Baselbiet stimmberechtigten Personen für das Friedensrichteramt wählbar.
Einer jener Friedensrichter, die bereits für die Periode 2022 bis 2026 in Stiller Wahl bestätigt worden sind, ist der Gelterkinder Michael Herrmann (48). Der alt Landrat und frühere FDP-Kantonalpräsident hält das Amt seit 2018 inne und ist von dessen Wichtigkeit ebenso überzeugt wie vom Aufgabenbereich fasziniert. Zwar halte sich der zeitliche Aufwand in Grenzen: im Monatsdurchschnitt ein drei- bis vierstündiger Fall, seit Corona vielleicht sogar nur noch acht bis neun solcher Fälle pro Jahr. Doch dafür spiele sich vor ihm das wahre Leben in all seinen Facetten ab.
«Klassische» Fälle, die laut Zivilprozessordnung zwingend zuerst vor den Friedensrichter gelangen müssen, sind etwa Nachbarschaftsstreitigkeiten oder Konflikte um Bau- und Auftragsmängel. Also der Hobbygärtner, der beim Bau seiner Gartenlaube die Wurzeln des Baums im Nachbargarten ansägt. «Da muss ich schon manchmal laut auf den Tisch klopfen, bis die Streithähne wieder zur Besinnung kommen», erzählt Herrmann aus seinem Friedensrichteralltag:
«Die typischen Maschendrahtzaun-Geschichten, wie ich sie nenne, sind jeweils mit viel Emotionalität verbunden.»
Nicht zum Aufgabengebiet der Friedensrichterinnen und -richter gehören Miet- und Erbstreitigkeiten. Als Verhandlungsgebühr verrechnet Herrmann 240 Franken, die der Kläger vorschiessen muss.
Dennoch leisten diese Schlichtungsverhandlungen, gerade wegen ihrer Niederschwelligkeit, unschätzbare Dienste, da sie die Zivilkreisgerichte von Bagatellfällen entlasten. Herrmann schätzt die Erfolgsquote seiner Fälle auf bis zu 75 Prozent: Sehr oft raufen sich die Parteien vor ihm zu einem Kompromiss zusammen; nur wenn gar nichts mehr geht, erteilt er die Klageerlaubnis für die nächste Instanz.
Als politisches Sprungbrett taugt das Friedensrichteramt übrigens kaum, obschon die meisten Richterinnen und Richter einer Partei angehören. «Die Amtsausübung ist wirklich fern jeder politischer Gesinnung», betont Herrmann, der den Baselbieter Politbetrieb aus dem FF kennt. Ebenso wenig seien aufstrebende Karrieristen gefragt. Vielmehr brauche es Leute mit einer gewissen Lebenserfahrung.