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Im Kampf gegen den Klimawandel fordert der Maispracher Landrat Markus Graf vom Kanton eine Anlage zum Verkohlen von Holzabfällen. Dass die Regierung davon nichts wissen will, stösst nicht nur bei Graf, sondern auch beim Ökozentrum Langenbruck auf Unverständnis.
Markus Graf ist das ökologische Gewissen der Baselbieter SVP. In der Partei, in der sich einige schwertun, den Klimawandel als vom Menschen mitverursachtes Phänomen zu betrachten, fällt der Landrat aus dem Winzerdorf Maisprach immer wieder mit Ideen für nachhaltige Bewirtschaftungsmethoden auf: Auch dank Grafs Wortmeldungen in der Beratung des Baselbieter Energiegesetzes im Januar 2020 gibt's nun kantonale Subventionen für grosse Holzfeuerungsanlagen. Damit werden gleich zwei Ziele verfolgt: Gefördert wird einerseits die klimaneutrale Produktion von Wärme und anderseits die Verwendung des im Überfluss vorhandenen einheimischen Holzes.
Graf ist kein Grüner, diese sind ihm zu verkopft, zu realitätsfremd, teilweise zu hysterisch. Dass er für grüne Anliegen einsteht, ist für ihn als Bauer gleichwohl selbstverständlich. «Wir SVPler dürfen in ökologischen Fragen nicht abseitsstehen oder einfach Nein sagen. Wir müssen mitgestalten.» Als Beispiel nennt er einen sorgsamen und nachhaltigen Umgang mit dem Boden: «Das ist unsere Lebensgrundlage, der Aufbau von Humus ist ein Generationenprojekt.»
«Wir SVPler dürfen in ökologischen Fragen nicht abseitsstehen oder einfach Nein sagen. Wir müssen mitgestalten.»
Um Letzteres zu fördern, soll in der Baselbieter Landwirtschaft vermehrt Pflanzenkohle eingesetzt werden, findet Graf. In einem Vorstoss im Landrat fordert er, dass der Kanton Pyrolyseanlagen zu deren Gewinnung unterstützt. Am Donnerstag entscheidet das Parlament. Pflanzenkohle, die durch Verkohlen von Holzabfällen ohne Luft gewonnen wird, ist bei Bauern, aber auch in der Wissenschaft derzeit ein grosses Thema: Als Streumaterial und Tierfutterzusatz kann sie in der Landwirtschaft eingesetzt werden.
Laut der eidgenössischen Futtermittelverordnung ist Pflanzenkohle erlaubt, auch weil sie wertvolle Nährstoffe bindet. Gelangt sie in den Boden, wird das darin enthaltene Kohlenstoffdioxid dort für sehr lange Zeit gespeichert. «Damit könnten wir unsere CO2-Bilanz verbessern und so einen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten», betont Graf.
Das klingt nach Alchemie und Wundertechnik. Allerdings tobt rund um Sinn und Unsinn von Pflanzenkohle ein Expertenstreit: Umstritten ist etwa, wie viel CO2 damit tatsächlich reduziert werden kann. Zudem befürchten einige Fachleute, dass durch allfälligen Schadstoffeintrag die Qualität der Böden langfristig leiden könnte. Dies, obwohl es sich dabei um eine alte Technik der Bodenbewirtschaftung handelt, die in Mittel- und Südamerika seit Jahrhunderten angewandt wird.
Die Baselbieter Regierung stimmt in den Chor der Skeptiker ein und lehnt den Vorstoss ab. Dies wiederum hat prominente Verteidiger auf den Plan gerufen: In einem Brief bittet das renommierte Ökozentrum Langenbruck die Landräte, die Pflanzenkohle nicht vorzeitig auszubremsen. Zwar sei die Skepsis der Regierung verständlich und die fachlichen Ausführungen dazu grösstenteils korrekt. Der Schlussfolgerung, dass kein Handlungsbedarf besteht, widerspricht das Ökozentrum indes deutlich: «Pflanzenkohle hat ein riesiges Potenzial für die Reduktion von Treibhausgasen und damit zur Erreichung der Klimaziele.» Es gelte nun, die offenen Fragen zum Nutzen zu klären, sagt Lorenz Ruf, Abteilungsleiter im Ökozentrum.
«Idealerweise würde Baselland ein entsprechendes Forschungsprojekt unterstützen. Andere Kantone haben das bereits vorgemacht», sagt Ruf. Derselben Meinung ist der Niederdörfer Ingenieur und Energiefachmann Martin Schmid. Auch er weist in einem Brief an die Landräte und den Kanton darauf hin, dass mit heutiger Technik Pflanzenkohle sauber und mit hohem Wirkungsgrad gewonnen werden kann.
Markus Graf schüttelt den Kopf: «Für mich ist es unbegreiflich, dass die Regierung den Vorstoss ablehnt.» Überall auf der Welt suchen Staaten fieberhaft nach Möglichkeiten, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Da müsste der grüne Baudirektor – gemeint ist Isaac Reber – das Konzept der Pflanzenkohle doch zumindest zur detaillierten Prüfung entgegennehmen. Graf steht mit dem Kanton in einem verwandten Thema im Clinch: So kritisierte er das mittlerweile angelaufene Kooperationsprojekt zwischen dem Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft und der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB). Letztere finanziert den Humusaufbau auf Baselbieter Bauernhöfen und kompensiert damit eigene Emissionen. Das Pilotprojekt stiess schweizweit auf grosses Echo.
Für Graf ist das hingegen bloss alter Wein in neuen Schläuchen. Die propagierten Techniken wie Erntereste auf den Feldern lassen, mit Mist oder Kompost düngen oder der Anbau von Kulturen, die den Humusaufbau fördern, würden von den meisten Bauern seit vielen Jahren eingesetzt. Es sei aber grundsätzlich vorbildlich und verdiene Respekt, dass die BLKB in der Region eine Klimakompensation anstösst, findet Graf. Ebenfalls lobt er das von der BLKB angestossene Pilotprojekt zur Anpflanzung 1000 klimaresistenter Bäume im Baselbiet.
Markus Graf und die kantonalen Ämter – das ist keine Liebesbeziehung. «Aus meiner Sicht fliesst zu viel Geld in Studien und Excel-Tabellen anstatt direkt in die Natur.» Auch da ist der Landwirt ganz der bodenständige Pragmatiker: Etwas für die Umwelt tun, Ja, aber bitte ohne überbordende Bürokratie und Diskussionen über eine bessere Welt.
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