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Basel-Stadt muss etwas gegen steigende Mieten tun. Nur zwei Vorlagen von der Abstimmung am 10. Juni sind aber wirklich griffig.
Eine Niederlage steht schon eine knappe Woche vor der Abstimmung fest: Den Kampf um eine hohe Stimmbeteiligung haben die Initianten verloren. Natürlich war nicht zu erwarten, dass die Basler Wahlbevölkerung an die Urnen pilgert, wie dies in Vergangenheit dank Durchsetzungsinitiative oder No Billag geschah. Dafür fehlen für den 10. Juni die nationalen Zugpferde. Doch 23,2 Prozent Wahlbeteiligung zum Start der Abstimmungswoche? Das ist doch sehr bescheiden.
Dabei ist das Thema durchaus aktuell. In einem Sorgenbarometer von bz und «Tageswoche» rund um die Wahlen 2016 gaben schliesslich die Baslerinnen und Basler an, Wohnungsknappheit sei eine ihrer grössten Nöte. Auch die Klickzahlen auf viele unserer Artikel, die das Thema Wohnen behandeln, sind ein Indiz für die Emotionalität, die diesem Bereich der Politik innewohnt. Natürlich, das mag auch daran liegen, dass Wohnen jeden betrifft und kaum jemand einfach so seine Traumwohnung zu optimalen Konditionen findet.
Davon ist im lauen Abstimmungskampf aber wenig zu spüren. Haben es die Initianten verpasst, eine emotionale Diskussion zu lancieren? Ja, auch. Aber nicht nur. Das linke Wohn-Paket gestaltet sich als zu wenig griffig, um Türöffner zu einer ordentlichen Auseinandersetzung zu sein. Es oszilliert zwischen Grundrechten und Formularpflicht und geht dabei am Wesentlichen vorbei: Mieter wollen einfach weniger zahlen. Doch ist das gerechtfertigt? Klar, Mieten sind gestiegen. Gestiegen ist aber auch das Platzbedürfnis. Noch vor 40 Jahren zählte diese Stadt mehr Einwohner als heute – bei deutlich weniger Wohnfläche.
Es sind vor allem ältere Personen, die viel Platz brauchen, wie aus einem Dossier des Statistischen Amts hervorgeht. Klar, wenn eine kleine Wohnung das Zehnfache davon kostet, wie die beinahe abbezahlte Hypothek auf das in den 70er-Jahren erstandene Einfamilienhaus. Günstige kleine Wohnungen, zugeschnitten auf eine ältere Bevölkerung, gibt es zu wenig. Damit der aktuelle Bestand erhalten bleibt und nicht zu teuren Sanierungen zum Opfer fällt, hier setzt die Wohnschutzinitiative an. Mit Mietzinskontrollen – wenn auch nur vorübergehend – erhält der Kanton ein Instrument, um Sanierungen zu vermeiden, die nur der Rendite wegen vorgenommen werden. Das ist zwar ein unschöner Eingriff in den Markt, aber ein nötiger.
Sinn macht auch die Initiative für bezahlbare Neumieten. Sie schafft Transparenz gegenüber dem Mieter, der so den Mietzins seines Vorgängers erfährt. So kann zu einem gewissen Teil vorgebeugt werden, dass schlitzohrige Vermieter bei Neu-Einzügen stetig die Erträge erhöhen, ohne etwas für den Mieter zu tun. Beim derzeit hohen Wohnungsdruck ist wenig wahrscheinlich, dass faire Anbieter keine Nachmieter finden, selbst wenn sie nach Jahren ihre Zinsen einmal an den Markt anpassen.
Das Wohn-Paket beinhaltet aber auch zwei reichlich unausgereifte Ideen. Dass das «Recht auf Wohnen» in die Verfassung soll, ist im besten Fall sinnlos. Wird die Vorlage nach dem Gusto der Initianten umgesetzt, schafft das Anreize für noch mehr staatliche Subvention des Wohnens – dabei explodieren die Familienmietzinsbeiträge jetzt schon, weil zunehmend einkommensschwache Familien vom Land in die Stadt ziehen. Ohne Umsetzung aber ist das «Recht auf Wohnen» einfach ein netter Satz in der Verfassung.
Wenig erbaulich ist auch die Initiative «Mieterschutz am Gericht», die Gerichtsgebühren in Mietstreitigkeiten auf 500 Franken begrenzen will. Das ist mehr, als die Gerichtsgebühren im Schnitt aktuell kosten, nämlich 480 Franken. Wer sich das nicht leisten kann, hat zudem Anspruch auf ein kostenloses Verfahren. Meist muss es aber gar nicht so weit kommen. Die allermeisten Fälle von Zwietracht zwischen Mieter und Vermieter löst die Staatliche Schlichtungsstelle. Die kostenlose Behörde hat eine Erfolgsquote von über 90 Prozent in den vergangenen Jahren aufzuweisen. Nicht schlecht, oder? Es ist durchaus wahrscheinlich, dass die Kompromissbereitschaft sinkt, wenn Gerichtskosten gedeckelt sind. Die Folge: Mehr Bürokratie, mehr Blockade.
Zwei Initiativen sind sinnvoll. Sie gehen ein anerkanntes herrschendes Problem an und bieten einen konkreten Lösungsansatz. Bei zweien handelt es sich bestenfalls um Symbolpolitik, im dümmstanzunehmenden Fall kommen sie den Steuerzahler teuer zu stehen. Die Situation komplett entschärfen werden die zuerst beschriebenen Vorlagen nicht. Doch das ist das auch nicht nötig. Noch immer bewegen sich die Nettomietzinsen Basels auf einem viel tieferen Niveau als in Zürich, Genf, Bern und Luzern – und das trotz grösserem Platzangebot. Noch immer finden Tausende jährlich eine neue Bleibe innerhalb der Kantonsgrenzen. Vielleicht ist auch das der Grund für das geringe Interesse in der Bevölkerung.