Basel
Weshalb eine muslimische Familie aus Syrien bei Basler Katholiken lebt

Die syrische Flüchtlingsfamilie, die von der katholischen Kirche aufgenommen wurde, fühlt sich wohl in Basel. Sie war vom Nordosten Syriens in die Türkei geflüchtet. Dass sie nun in Basel ist, hat sie einer Aktion des Bundes zu verdanken.

Martina Rutschmann
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Die Eltern und sechs ihrer Kinder flüchteten aus Syrien – das Baby (rechts) kam Anfang Jahr in Basel zur Welt.Roland Schmid

Die Eltern und sechs ihrer Kinder flüchteten aus Syrien – das Baby (rechts) kam Anfang Jahr in Basel zur Welt.Roland Schmid

Einfach war ihr Leben auch vor dem Krieg nicht. Als Kurden gehörten sie zur grössten ethnischen Minderheit Syriens und mussten damit leben, schlechter gestellt zu sein als diejenigen, die sich als «echte Syrer» sehen. Aber auch als «Fremde» ohne Staatsangehörigkeit lebte die Familie Shech Mohamed ein mehr oder weniger friedliches Leben in der Stadt Qamischli im Nordosten nahe der türkischen Grenze.

Dass sie diese eines Tages passieren müssten, um die eigene Haut zu retten, damit hätte die Familie bis vor gut drei Jahren nicht gerechnet. Der Arabische Frühling änderte ihr Leben genauso wie dasjenige Millionen weiterer Syrer. Nach dem jüngsten Bericht des UNO-Flüchtlingshilfswerks sind bisher drei Millionen Syrer ins Ausland geflüchtet, 6,5 Millionen Menschen sind innerhalb der Heimat auf der Suche nach Sicherheit. Die Familie Shech Mohamed hat ihnen voraus, diese Sicherheit inzwischen gefunden zu haben.

Anders als Tausende andere Landsleuten haben Salih, Jiwan, Najah, Shindar, Jivan, Khalat, Jalila und Ahmed den langen, harten Weg bereits hinter sich. Das jüngste Familienmitglied bekam von dieser Odyssee nichts mit: Baby lawend kam vor neun Monaten in Basel zur Welt. Ob es seine eigentliche Heimat je sehen wird, ist unklar.

Lampenfieber vor der Einreise

«Herzlich willkommen», übersetzt der Dolmetscher die Worte von Vater Salih (40). Die Familie hat sich in der Stube des Sigristhauses der Heiliggeistkirche eingefunden, um über ihr Schicksal zu erzählen. Die 16-jährige Najah serviert Kaffee, die jüngeren Brüder bringen Mineralwasser. «Lampenfieber» habe sie gehabt, als sie erfuhr, dass sie in die Schweiz fliegen würden, erinnert sich Mutter Khalat (37). Eine Aktion des Bundes hatte es vergangenes Jahr möglich gemacht: Um kriegsbetroffenen Familien rasch einen Aufenthalt in der Schweiz zu ermöglichen, hatte der Bundesrat vorübergehende Visa-Erleichterungen für Syrer mit Verwandten in der Schweiz erlassen. Da die Schwester von Vater Salih seit
15 Jahren in Basel lebt, konnte die Familie von der Aktion profitieren.

Die Reise führte über die Türkei, wo die Flüchtlingsfamilie nicht gut aufgenommen worden sei. «Ich fand zwar Arbeit als Hilfskraft in Kaufhäusern, doch oft zahlten sie zu wenig oder gar keinen Lohn», erzählt Salih, der bereits in Syrien in Warenhäusern gearbeitet hatte. Hier darf er wegen seines Asylstatus nicht arbeiten, was ihm zu schaffen macht: «Ohne Arbeit werde ich krank.»

Die Kinder sind ausgelastet. Die Grossen besuchen Fremdsprachenklassen in staatlichen Basler Schulen, die Kleinen gehen in normale Klassen. Alle sprechen bereits ein paar Brocken Deutsch. Auch Freunde haben sie bereits, vorwiegend kurdisch sprechende Kinder. Bei den Hausaufgaben helfen ihnen die Leute der Pfarrei Heiliggeist.

Gotteshäuser als gutes Schicksal

Am Weihnachtstag landete ihr Flugzeug in Basel. Die Familie ist muslimischen Glaubens und hat mit christlichen Feiertagen wenig am Hut. Dennoch war der Tag für sie wie Weihnachten. «Es war, als würden wir träumen», sagt Salih. Nach einigen Monaten im Empfangszentrum konnte die Familie im Sommer das Sigristhaus der Heiliggeistkirche beziehen. Die Kirche hatte im Frühjahr beschlossen, das leer stehende Gebäude nicht wie geplant an Private zu vermieten, sondern es der Sozialhilfe für eine syrische Familie vorübergehend zur Verfügung zu stellen.

Aktuell unterstützt die Sozialhilfe 230 syrische Flüchtlinge. Viele weitere Syrer werden in absehbarer Zeit nicht kommen, da Basel-Stadt im ersten Halbjahr über dem nationalen Verteilschlüssel für Asylsuchende lag und dieser nun ausgeglichen wird.

«Es war eine schwere Entscheidung, die Heimat zu verlassen, doch wir haben es für unsere Kinder getan», sagt Vater Salih. Die Familie habe den Krieg nicht direkt erlebt, doch die Angst, er würde ihre Stadt erreichen, liess sie flüchten; zu Fuss und mit wenig Gepäck. Wohin es sie verschlagen würde, wussten sie nicht. Dass sie bei einem Basler Gotteshaus ein Zuhause finden würden, hätten sie nicht für möglich gehalten. Erstaunt ist die Familie allerdings nicht: «Es ist offenbar unser Schicksal, in der Nähe eines Gotteshauses zu leben. In Syrien wohnten wir neben einer Moschee», sagt Vater Salih.

Ob Kirche oder Moschee: «Wir fühlen uns wohl hier und haben nicht das Gefühl, Fremde zu sein», sagt der Vater. Wie es mit seiner Familie weitergeht und vor allem: wo, könne er derzeit nicht sagen. Wichtig sei einzig, dass seine Familie endlich in Sicherheit sei.