Seit 2014 wurde der Beschuldigte gegenüber seiner Frau mehrfach gewalttätig. Er schlug sie vor den gemeinsamen Kindern auf den Kopf. Die Basler Staatsanwaltschaft fordert einen vollumfänglichen Schuldspruch, seine Verteidigerin hingegen einen Freispruch.
Esma T.* hat ein typisch syrisches Gericht gekocht und will gemeinsam mit den zwei jüngeren der drei Kinder und ihrem Ehemann Omar T.* zu Mittag essen. Doch es bleibt nicht bei einem friedlichen Mittagessen an diesem Tag im März 2022.
Was damals in der Küche einer Wohnung in Basel geschah, stellte die Eskalation einer über achtjährigen Beziehung und Ehe dar, die geprägt war von Gewalt, Drohungen und Beschimpfungen. Am Montag musste sich Omar T. unter anderem wegen mehrfacher Vergewaltigung, Freiheitsberaubung, einfacher Körperverletzung und wegen versuchtem strafbarem Schwangerschaftsabbruch vor dem Basler Strafgericht verantworten.
Die junge Mutter wollte sich an jenem Mittag ein paar Fotos auf ihrem Smartphone anschauen. Dabei entdeckt sie, dass frühere Aufnahmen von ihr, ihrem Mann und ihren Kindern gelöscht waren. Sie fragt Omar T., ob er dies getan hatte, da er am Morgen desselben Tages an ihrem Handy war.
Die Anklageschrift beschreibt umfangreich, was sich daraufhin abspielte. Omar T. beschimpft Esma T. und beginnt, mit der Hand auf sie einzuschlagen – obwohl die mittlere Tochter im Raum ist und die Mutter den jüngsten Sohn auf dem Arm hat. Esma T. greift zu ihrem Telefon, will den Notruf wählen. Doch ihr Mann reisst ihr das Gerät weg und zerstört es. Schliesslich nimmt Omar T. einen Hausschuh und prügelt weiter auf seine Frau ein. Zuletzt drückt er eine brennende Zigarette auf dem Arm von Esma T. aus, reibt mit einem Tuch auf der Brandwunde herum.
Der Gewaltausbruch von Omar T. endet damit, dass er sich die Wohnungsschlüssel schnappt, seine Frau und die beiden Kinder in einem Zimmer einsperrt und die Wohnung verlässt. Esma T. kann schliesslich auf den Balkon gelangen und um Hilfe rufen.
Im Spital werden Hauteinblutungen am Rücken, an den Armen, an den Händen, am Hinterkopf und auf der Stirn, oberflächliche Schürfwunden, eine Brandwunde sowie Schwellungen an der linken Hand festgestellt. Esma T. stellt noch am Tag des Vorfalls Strafantrag gegen ihren Mann.
Kennen gelernt hatten sich Esma T. und Omar T. 2012 in ihrem Heimatland Syrien. Erst 2015 kamen sie offiziell zusammen, als beide unabhängig voneinander in die Schweiz immigriert waren. Esma T. war mit ihrem ersten Kind schwanger, als ihr Ehemann zum ersten Mal gewalttätig wurde. Er fesselte seine Frau an den Händen und Füssen, trat und schlug ihr in den Bauch. Nachdem Esma T. über starke Schmerzen klagte, machte er sie los.
Anlässlich der Gerichtsverhandlung bestreitet Omar T. sämtliche vorgeworfene Taten. Esma T. wiederholt ihre Schilderungen. Ob ihr Mann wollte, dass sie einen Schwangerschaftsabbruch erleidet, kann sie nicht beantworten. Zuerst habe er das Kind gewollt, sagt sie, dann nicht mehr, später aber wieder schon.
Esma T. bricht im Gerichtssaal mehrmals in Tränen aus. «Wenn er genervt war, dann hat er zugeschlagen», sagt sie. Und: «Ich habe die erste Anzeige zurückgezogen, weil er mir drohte, ich dürfe meine Tochter sonst nicht behalten. Und er hatte sich entschuldigt.» Nach ihrer Befragung verlässt sie schnell das Gericht, um ihrem Noch-Ehemann nicht zu begegnen.
Omar T. hingegen fragt die Gerichtspräsidentin: «Warum weinte meine Frau?» Er habe ihr nie etwas getan. Vielmehr habe sie sich häufiger selbst Verletzungen zugefügt oder sich gar selbst geschlagen. Und das blaue Auge, das er ihr laut Anklageschrift im März 2019 verpasst haben soll, sei das Ergebnis eines Unfalls: Beim «Spielen» sei Esma T. in eine offene Türe gerannt, sagt der Beschuldigte.
Die Staatsanwaltschaft listet mehrere Tätlichkeiten auf. Mal warf Omar T. einen Teller nach seiner Frau, mal schlug er mit der Hand oder einem Hausschuh auf ihren Kopf ein. Stéphanie Moser, die Esma T. vor Gericht vertritt, sagt in ihrem Plädoyer:
«Ehrlich gesagt, es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es nicht zu mehr Übergriffen als den angezeigten gekommen ist.»
Für Moser und Staatsanwältin Sherilyn Kirchhofer ist damit klar: Der Beschuldigte, Omar T., ist in sämtlichen Anklagepunkten schuldig zu sprechen. Kirchhofer fordert vier Jahre Freiheitsentzug, eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen à 30 Franken sowie einen Landesverweis für die Dauer von sieben Jahren. Daneben soll Esma T. eine Genugtuung über 10'000 Franken ausbezahlt werden.
Verteidigerin Sandra Schultz-Schmitt betont in ihrem Plädoyer: «Das Bild, das die Staatsanwaltschaft von meinem Mandanten zeichnet, entspricht nicht der Wahrheit.» Esma T. habe sich in der Beziehung sehr wohl durchsetzen und ihre Meinung äussern können. Die Frau habe sich «zu keinem Zeitpunkt in einer Zwangslage» befunden, sagt Schultz-Schmitt mit Bezug auf die Vorwürfe der mehrfachen Vergewaltigung. Omar T. sei vollumfänglich freizusprechen.
Das Urteil wird am kommenden Montag bekannt gegeben.
* Namen von der Redaktion geändert.