Basel-Stadt revidiert sein Gleichstellungsgesetz. Die Binarität von Mann und Frau wird aufgelöst, möglichst viele sexuellen Orientierungen werden anerkannt. Mit dem neuen Gesetz ist die Arbeit aber nicht getan, warnt ein Politiker.
Die Frauenstreiks oder Gay-Pride-Anlässe seien Ausdruck von fehlender Gleichstellung, sagt der Basler Regierungspräsident Beat Jans (SP). Mit einem revidierten Gleichstellungsgesetz möchte der Stadtkanton diesen Realitäten Rechnung tragen und Menschen unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung vor Diskriminierung schützen.
Ausgangspunkt für die nun in die Vernehmlassung gehende Gesetzesrevision war ein grossrätlicher Vorstoss im Jahr 2017. Nora Bertschi, damals Grünen-Grossrätin, forderte zwar keine Gesetzesänderung, vielmehr sollte der Regierungsrat die Zuständigkeit bezüglich LGBTI-Themen im Kanton klären und zuweisen. Als neue Generalsekretärin im Präsidialdepartement kam Bertschi nun mit der Gesetzesrevision in Berührung. Sie sagt auf Anfrage:
«Als ich im Mai den neuen Job angefangen habe, lag der Entwurf schon auf meinem Tisch.»
Natürlich habe sie sich aber gefreut, dass ihre Motion den Anstoss zum neuen Gleichstellungsgesetz gegeben habe. «Es soll ein Zeichen sein. Der Kanton zeigt damit seine Haltung und geht als Vorreiter voran», so Bertschi.
Die beiden wichtigsten Punkte der Revision sind denn auch: Der Gleichstellungsauftrag des Kantons wird auf lesbische, schwule, bisexuelle, trans und inter Menschen (LGBTI) ausgeweitet. Zudem wird die Binarität zu Gunsten einer Geschlechtervielfalt aufgehoben.
Mit dieser Gesetzesrevision sei Basel-Stadt der erste Deutschweizer Kanton, «der die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung in allen Lebensbereichen explizit erweitert», sagt Jans. Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung sollen mit dem Gesetz künftig verboten sein – ein gesellschaftlicher Meilenstein. Menschen aus der LGBTI-Community sollen nicht mehr nur mitgemeint werden.
Auch in Baselland wird eine Revision des Gleichstellungsgesetzes gefordert. Denn die dortige Fachstelle für Gleichstellung ist laut dem entsprechenden Gesetz nur für die Gleichstellung von Mann und Frau zuständig. SP-Landrätin Miriam Locher reichte im Januar 2021 einen entsprechenden Vorstoss ein: Sie will erreichen, dass der Auftrag der Baselbieter Fachstelle für Gleichstellung um die sexuelle Orientierung ergänzt und die dafür nötigen Stellenprozente bereitgestellt werden. Die Motion ist weiterhin hängig.
Die Leiterin der Abteilung für Gleichstellung im Kanton Basel-Stadt, Leila Straumann, nennt drei Gründe, weshalb es das neue Gesetz brauche: Einerseits seien LGBTI-Menschen verschiedenen Formen der Diskriminierung ausgesetzt, was etwa zu einer höheren Suizidrate bei Jugendlichen führe. Dann seien die entsprechenden Beratungsstellen unterfinanziert und zu wenig niederschwellig nutzbar. Schliesslich sei diese gesetzliche Grundlage «ein klares rechtspolitisches Signal» zur Verwirklichung der Gleichstellung von LGBTI-Menschen.
Über ebendieses Signal freut sich GLP-Grossrat Johannes Sieber.
«Das Gesetz ist eine sehr gute Grundlage für die weitere Arbeit in der Gleichstellung»,
sagt der Politiker, der sich seit Jahren in diesem Bereich engagiert. Positiv sei, dass die Formulierungen sehr offen gehalten seien.
Aber: «Mit der Gesetzesänderung ist noch keine Gleichstellungsarbeit gemacht», mahnt Sieber. Nun – bereits in der Phase der Vernehmlassung – müsse der Kanton den Austausch mit der Community suchen, denn deren Bedürfnisse seien «so divers und fliessend, wie die Menschen selbst».
Diese Ausweitung der Gleichstellungsfrage dürfte wenig überraschend auch eine Ausweitung des kantonalen Verwaltungsapparats zur Folge haben. Nach Abschluss der Vernehmlassung und der Beratung im Grossen Rat soll in rund einem Jahr ein eigener Fachbereich aufgebaut werden. Ende 2024 sollen Pilotphase und Evaluation dann abgeschlossen sein.
Jetzt startet die Vernehmlassung zum neuen kantonalen Gleichstellungsgesetz! Wir wollen die Gleichstellungsarbeit stärken und diese für LGBTI-Menschen erweitern. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme.https://t.co/y0272Mse8g#LGBTI #equality #Gleichstellung #BaselStadt pic.twitter.com/ieEnFbHlC6
— Jans Basel (@beat_jans) August 19, 2021
Bleibt die Frage, wie sich das neue Gesetz im Alltag von diskriminierungsgefährdeten Menschen auswirken wird. Laut Straumann soll der Kanton niederschwellige Beratungsangebote stärken, die heute auf finanziell eher wackeligen Füssen stehen. Die Koordination dieser Massnahmen wird durch die Abteilung Gleichstellung erfolgen. Hat der künftig erweiterte Gleichstellungsauftrag Folgen für die kantonseigene Abteilung, die mit Ausnahme eines Praktikanten nur mit Frauen besetzt ist? Darauf wollte oder konnte Straumann nicht antworten.