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Der Künstler Corsin Fontana lebt seit über 50 Jahren in Basel. Umbruch und Kontinuität prägen sein Werk.
Corsin Fontana spricht zuerst über Handwerk, wenn er über seine Kunst spricht. Der Mann mit dem hageren Berglergesicht führt durch seine Ausstellung bei Tony Wüthrich in Basel. Auf den ersten Blick sind seine Bilder frappant einfach. Monochrome Gittermuster, flirrende, horizontale Farbstrukturen, einzelne Linien, welche die Leinwand auf und ab mäandern.
Fontana beschreibt, wie er die Ölkreide wochenlang Schicht um Schicht aufträgt, bis Furchen und Überlagerungen entstehen. Eine Form der Meditation? «Wenn Sie das Modewort brauchen wollen», antwortet er mit Schalk in den Augen. Aber natürlich brauche es Konzentration für diese Arbeit. «Oft höre ich klassische, indische Musik. Die bringt mich in den richtigen Zustand.»
Die intensive Ruhe, die von den Bildern ausgeht, ist einem langsamen Prozess abgerungen. Fontana pflichtet bei, dass der Bildhauer Constantin Brâncuși die Essenz dieses Vorgangs richtig beschrieben habe: «Es ist nicht schwer, ein Kunstwerk zu machen. Aber sich in den Zustand zu bringen, den es dazu braucht, das ist schwer.»
«Einfach, konzentriert, reduziert», lautet Fontanas Credo. Die Reduktion aufs Wesentliche setzt er in Bezug zur Gegenwart: «Ich stelle der Bilderflut meine Langsamkeit entgegen.»
Fontana ist 1944 in Chur geboren, in Ems aufgewachsen, mit zwei Geschwistern, der Vater Bahnhofvorstand, der Grossvater Kutscher. Einen leibhaftigen Künstler sieht er erstmals in der Schule. Hendry Spescha, der Lehrer, hat seinen Bruder, den Maler Matias, eingeladen, um zu zeichnen. «Da realisierte ich zum ersten Mal, dass Künstler ja ein Beruf ist.»
Fontana macht eine Lehre als Offsetdrucker beim «Bündner Tagblatt». Einmal in der Woche besucht er die Gewerbeschule in Zürich. Fontana erhält Zeichenunterricht, die Lehrlinge besuchen regelmässig Kunstausstellungen. Er begegnet der damaligen Schweizer Avantgarde und internationaler Kunst: «Ich sah Duchamps Fahrradrad, das er auf einen Schemel geschraubt hat. Das gab mir schon zu denken.»
Er beginnt in der Druckerei, neben der Arbeit, zu malen. Der Autodidakt entwickelt rasch ein erstaunliches Jugendwerk. Nach der Lehre zieht es ihn nach Basel. Aus zwei Gründen: Der Stadt eilt der Ruf der Kunststadt voraus. «Und sie war weit genug weg von zuhause.» Bereits 1965 erhält er das eidgenössische Kunststipendium. 1967 und 1973 gleich nochmals. 1967 zieht er in ein Genossenschaftsatelier im Klingental, wo er bis zu dessen Umbau 2018 bleiben wird.
Fontana entwickelt nun über die kommenden 50 Jahre eine Vielzahl in sich abgeschlossener Werkreihen. Auf die Aquarelle und Tuschzeichnungen folgen Performances und Objekte aus mit Wasser gefüllten Fahrradschläuchen. Danach entwickelt er archaische Objekte aus Schweinsblasen und Spinnweben. In Spanien und Marokko lässt er die Sonne Bilder belichten.
Auf grossformatige Holzschnitte folgen Holzobjekte. Auf diese wiederum Arbeiten auf Papier, Zyklen aus Kreis- und Ovalkonstellationen, die Gitterstrukturen tauchen erstmals auf, gefolgt von Skulpturen in Beton.
War es auf dem Kunstmarkt nicht von Nachteil, stets die Ausdrucksweise zu verändern? Fontana zuckt mit den Schultern. «Ich bin Künstler geworden, um machen zu können, was mich interessiert.» Stipendien hätten in den Anfängen geholfen. Und Gelegenheitsjobs. Oder die Arbeit als Hirte. Sieben Sommer hat Fontana auf Bündner Alpen verbracht. «Dort wird man geerdet, kommt zur Ruhe, braucht kein Geld, und kann nachher Monate lang davon leben.»
Eigensinn und Durchhaltevermögen haben sich gelohnt. 1975 richtet ihm das Bündner Kunstmuseum ein erste Einzelausstellung aus, 1991 die Kunsthalle Winterthur, 2008 das Museum Gegenwart in Basel, zwei Jahre später wiederum das Museum in Chur. Basler Galerien bringen sein Werk in private Sammlungen: die Galerie Riehentor, später Stampa, Littmann und seit 23 Jahren Tony Wüthrich.
So unterschiedlich seine Werkgruppen sind, über allen könnte der Titel «Einfachheit und Kargheit» stehen. Ein Gestaltungsprinzip, das nicht nur das Werk, sondern auch die Lebensweise betrifft. «Ich habe auf Vieles verzichtet auf diesem Weg. Ich kann nicht mal Auto fahren», sagt Fontana und lacht.
Für ihn sind die Werkgruppen auch keine getrennten Universen. Eine habe sich aus der anderen ergeben.
Und oft arbeitet Fontana mit Rückgriffen. Er zeigt auf eine Serie in der Galerie. «Dieses Thema habe ich bereits vor 17 Jahren bearbeitet, es dann aber weggelegt, beinah vergessen. Und nun weitergeführt. Das ist, als ob ich einen Satz vor 17 Jahren begonnen habe und erst heute beende.»
Fontana ist all die Jahre mit Graubünden, der dortigen Kunstszene, seiner Familie in Verbindung geblieben. So erstaunt sein nächster Schritt nicht. Er und seine Ehefrau wohnen seit einigen Monaten in Cumbel, einem 250-Seelen-Dorf im Val Lumnezia. In Basel hat Fontana noch ein Atelier in der Alten Gewerbeschule. Aber nur auf Zeit. Was nachher kommt, sei noch offen.
Corsin Fontana
Galerie Tony Wüthrich, bis 31. 10. www.tony-wuethrich.com.