Birsfelden/Basel
Zu schwach bei einem Erdbeben: Das Kraftwerk braucht Stützen

Das Stauwehr des 1954 in Betrieb genommenen Kraftwerks könnte schon bei einem moderaten Erdbeben brüchig werden. Der Bund will diesen Zustand nicht länger dulden.

Benjamin Wieland Jetzt kommentieren
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Das Kraftwerk Birsfelden wird mit über 200 Mikropfählen gestärkt.

Das Kraftwerk Birsfelden wird mit über 200 Mikropfählen gestärkt.

Simon Havlik/bz-Archiv

Der Oberrheingraben ist ein Erdbebengebiet. Bauten sollten Erdstössen standhalten können, selbst starken Erdstössen. Beim Kraftwerk Birsfelden ist das gegenwärtig offenbar nicht der Fall. Das hat die Aufsichtsbehörde des Bundes festgestellt. Das Stauwehr würde schon ein moderates Beben, wie es in der Region alle 500 Jahre vorkommt, kaum schadlos überstehen – mit gravierenden Folgen für die Menschen, die unterhalb der Staumauer leben.

Das Bundesamt für Energie (BFE) hat deshalb die Kraftwerk Birsfelden AG dazu verpflichtet, das Stauwehr zu verstärken. Das Unternehmen will mit verschiedenen Massnahmen das «Gleiten in Fliessrichtung» verhindern, wie es in der Bauauflage heisst, die seit kurzem öffentlich aufliegt. «Wir sind für die Erhaltung der Substanz und für die Sicherheit zuständig, und wenn Massnahmen vorgeschrieben werden, müssen wir sie umsetzen», sagt Kraftwerk-Direktor Sascha Jäger zur bz. «Wir sind optimistisch, im kommenden Jahr mit den Arbeiten beginnen zu können.»

Die Kosten werden auf 4 Millionen Franken veranschlagt. Aufbringen muss diesen Betrag die Kraftwerk Birsfelden AG als Eigentümerin der Anlage.

Schon ein 500-Jahr-Beben könnte verheerend sein

Das Unternehmen gehört zu 75 Prozent der IWB, Primeo Energie und Elektra Baselland; das übrige Viertel hält der Kanton Baselland. Den Aufwand trägt letzten Endes die Stromkundschaft respektive die Steuerzahlenden. Doch wo genau hapert es bei der Sicherheit?

Eine Prüfung der Stauanlage habe aufgezeigt, schreibt das BFE auf Anfrage, «dass dieses die Anforderungen hinsichtlich Gleitsicherheit bei Erdbeben nicht erfüllt. Aus diesem Grund wurde eine Sanierung zur Erhöhung der Sicherheit veranlasst.» Die Stauanlagenverordnung schreibe vor, dass alle Hochrheinwehre einem Erdbeben mit einer Wiederkehrperiode von 5000 Jahren standhalten müssen, «ohne dass es zu einem unkontrollierten Austritt von Wasser kommt».

In der Auflage heisst es sodann, bei der erwähnten Prüfung im Jahr 2014 sei festgestellt worden, dass die Stabilität des Birsfelder Wehrs bereits bei einem «moderaten Erdbeben», wie es alle 500 Jahre vorkommt, ungenügend sei.

Zur Erdbebenertüchtigung sind 209 Mikropfähle vorgesehen, welche die Mauer und die Pfeiler stützen. Die Stifte sollen unter anderem im Untergrund verankert werden. Betroffen ist der gesamte Bereich rund um das Stauwehr, das je zur Hälfte auf Boden von Baselland und Basel-Stadt steht. Da der Stausee deutsches Territorium tangiert, ist auch das Regierungspräsidium Freiburg in das Projekt miteinbezogen.

Heute hält das Gewicht der Mauer das Wasser zurück

Mit den Hangabbrüchen am Kleinbasler Rheinufer stehen die Massnahmen nicht im Zusammenhang. Im vergangenen Juli rutschen während eines Hochwassers mehrere Fischergalgen ins Wasser, da der Untergrund nicht mehr stabil war. Das Kraftwerk hat das Verstärkungsprojekt jedoch bereits im vergangenen März eingereicht.

In der Bauauflage wird beschrieben, was bei einem starken Beben passieren könnte. Die 1954 in Betrieb genommene Anlage setzt dem Druck des gestauten Sees im Wesentlichen ihr Gewicht entgegen. Das Eigengewicht der Mauer genügt offenbar, um diesen Kräften standzuhalten. Gerät der Untergrund jedoch in Bewegung, ist alles anders. «Da die Betonmasse bei Erdbeben auch erheblich beschleunigt wird», heisst es im Problembeschrieb, «können solch starke Erdbeben mit einer reinen Gewichtstruktur nicht mehr aufgenommen werden.» Die Wahrscheinlichkeit, dass es in den kommenden 100 Betriebsjahren zu einem Starkbeben komme, betrage ein Prozent – das sei zu viel.

Das Kraftwerk ist im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbild der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) eingetragen. Laut Auflage wird das Gesamtbild «nur unwesentlich» verändert. Laut BFE könnte ein Gutachten der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege erforderlich sein. Entschieden sei das aber noch nicht.

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