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Noch schütze fast jedes Land seine Airline, sagt der Basler Luftverkehrs-Experte Charles Schlumberger. «In den USA kann man zum Beispiel Waffen-Industrien oder Atomkraft-Werke kaufen – aber keine Airline.»
In Europa haben sich Passagiere und vor allem Fluggesellschaften sehr gut arrangiert mit der Liberalisierung. Das Eröffnen neuer Strecken ist einfacher geworden, bürokratische und vor allem rechtliche Hindernisse wurden abgebaut. Es ist also für Fluggesellschaften möglich geworden, schnell auf Marktbedürfnisse zu reagieren. Davon haben auch die Passagiere etwas.
Doch nicht überall auf der Welt ist das so. Afrika beispielsweise tut sich sehr schwer mit der Liberalisierung. Seit 26 Jahren wird dort darüber geredet – bewegt hat sich bisher praktisch nichts. Einer, der die afrikanischen Verhältnisse bestens kennt, ist der Basler Charles Schlumberger. Er arbeitet bei der Weltbank in Washington und ist dort verantwortlich für den Bereich Luftverkehr. Wir haben Schlumberger an der Iata-Generalversammlung in Miami getroffen.
Charles Schlumberger: Die Weltbank befasst sich mit wirtschaftlicher Entwicklung und Wachstum. Luftverkehr spielt dabei eine ganz wesentliche Rolle – gerade auch für periphere Lagen. Er fördert die Integration in die Weltwirtschaft und den Tourismus. Der Flugverkehr verbessert die Erreichbarkeit. Dieser Faktor rangiert in der Standort-Debatte ganz weit oben.
Ich habe an der McGill-Universität in Montreal zu diesem Thema die Doktorarbeit verfasst. In Afrika war die Liberalisierung des Luftverkehrs schon vor 20 Jahren ein Thema. Damals wurde ein multinationaler Staatsvertrag aufgesetzt, die sogenannte Yamoussoukro Decision. Immer hiess es: Ja, dieser Vertrag ist nicht anwendbar ... Ich untersuchte in meiner Dissertation die Gründe dieser schleppenden Entwicklung, die historisch-rechtlichen Hintergründe ... Die Weltbank unterstützte mich in dieser Recherchearbeit während dreier Jahre. Das öffnete mir auch die Türen der Archive und Behörden. Auch der damalige Chef der Ethiopian Airways unterstütze mich stark. Das Erstaunliche: 44 von 54 afrikanischen Staaten hatten formell die Liberalisierung eingeführt – das heisst etwa, dass eine Flugstrecke über die Grenze in ein anderes Land geflogen werden kann und von dort weiter mit zusätzlichen Passagieren in ein Drittland. Nur: Das Abkommen wird nicht angewendet. Es ist, wie wenn man heiratet und nicht zusammen lebt. Und immer dann, wenn es so weit sein soll, muss eine Staatsairline geschützt werden. Man hat nur das Drumherum vorangetrieben: Intra-afrikanischer Dialog, Staatsverträge, politische Plattformen, Gipfeltreffen. Afrika ist der Kontinent mit den meisten Staatsverträgen, die nicht angewendet werden.
Ja, gibt es. Ethiopian, Kenya Airways und South African Airways, teilweise, unterstützen die Liberalisierung. Sie findet dort statt, wo keine Staatsairline geschützt wird. Es ist Tatsache, dass heute immer noch die meisten Länder ihre nationale Fluggesellschaft unterstützen. Ein Stück weit ist das verständlich, nationales Interesse und so weiter. Aber die Länder sollte sich darauf beschränken den Luftverkehr zu unterstützen, nicht die nationale Airline. Die Schweiz ist eines der wenigen Länder, die ihre Fluggesellschaft Konkurs gehen liess und dann Geld in ein neues Projekt steckte. Danach wurde an die Lufthansa verkauft.
Ja, zwei Milliarden, und 360 Millionen hat man schliesslich beim Verkauf erhalten. Ob das eine Grosstat war, steht auf einem anderen Blatt ...
Ja, sie helfen beispielsweise mit einem unternehmerfreundlichen Konkursrecht, wie etwa die USA mit dem Chapter 11. Da kann zwar restrukturiert werden, aber es gibt keine Marktbereinigung denn der Gläubigerschutz reicht oftmals nicht aus, eine Fluggesellschaft zu liquidieren und die Aktiven zu verteilen. Man schreibt ab, refinanziert, und macht weiter – die USA haben ein anderes Rechtssystem. In den USA können Firmen beispielsweise auch ihre Pensionsgelder für die Firma einsetzen, die bei einer Restrukturierung gekürzt oder gar verloren gehen können. Zudem bekamen nach den Attentaten von 9/11 die Fluggesellschaften am Tag danach 14 Milliarden Garantien vom Staat zugesichert.
Sehr viel dürfte das nicht ausmachen. Man darf nicht vergessen, dass man die Flugzeuge auf dem Rückflug ebenfalls auftanken muss. Das heisst, die Treibstoffsubvention wirkt nur zur Hälfte. Treibstoffkosten machten zu den Zeiten des höchsten Ölpreises etwa 30 Prozent der Totalkosten der Fluggesellschaften aus. So wirkt eine Subvention nur auf 15 Prozent der Ausgaben.
Dieser wichtigste Liberalisierungspunkt wird leider kaum diskutiert. Wir sollten von der Liberalisierung des Eigentums sprechen. Das würde die meisten Probleme lösen. Warum muss eine nationale Fluggesellschaft zu 51 Prozent, in den USA sogar zu 75 Prozent in nationalen Händen sein? Das versteht niemand. Das wurde so vor dem Zweiten Weltkrieg eingerichtet, damit Deutschland im Ausland nicht alle Flugzeuge aufkauft. Heute hat das keine Relevanz mehr. In den USA, zum Beispiel, kann man Waffenindustrien oder Atomkraftwerke kaufen – aber keine Airline.
Wenn man diese Eigentumsklauseln weglassen würde, wäre das mit den Verkehrsrechten kein Problem mehr, denn es würden kaum mehr nationale Interessen und das Schützen einer nationalen Fluggesellschaft im Vordergrund stehen, sondern nur der Wettbewerb. Im weiteren könnten auch Länder, die keinen ausgebauten Finanzmarkt besitzen, wie zum Beispiel ärmere afrikanische Staaten, eine fremdfinanziere Airline im eigenen Land haben.
Ja, ich passe meine Sujets an die Veranstaltung an.
Wenn die Branche nach Jahrzehnten endlich wieder Geld verdient, freut man sich wie der aufrichtige Strauss. In den meisten Jahren, die ich erlebt habe, verliert man jedoch riesige Summen mit Fluggesellschaften – aber optimistische Anleger stecken einfach den Kopf in den Sand und hoffen auf bessere Zeiten.