Das Kunstmuseum Basel Gegenwart träumt mit der Neuseeländerin Ruth Buchanan von der Vergangenheit und der Zukunft.
Reimt sich Josef Beuys auf Gegenwart? Nein, findet die neue Leiterin des Kunstmuseums Basel Gegenwart, Maja Wismer. Nach der Zentenarfeier zu Ehren des künstlerischen Schutzpatrons im vergangenen Jahr hat sie ihr Haus entrümpelt und Beuys von der Gegenwart endgültig in die Geschichte verabschiedet.
«Das war eine meiner Forderungen während des Anstellungsgespräches», erinnert sich Wismer auf dem Medienrundgang durch die neue Ausstellung «Heute Nacht geträumt», ausgerichtet von der neuseeländischen Künstlerin Ruth Buchanan. «Bevor wir entscheiden, wie es weitergeht, treten wir einen Schritt zurück», so die Leiterin. «Ich wollte diese Zäsur.» Und Wismer hat sich durchgesetzt: Beuys schliesst jetzt im Neubau Frieden mit dem Kunstkanon, zu dem er längst zählt.
Gemeinsam mit Ruth Buchanan und Len Schaller als Co-Kuratorin untersucht die Museumsleiterin, was bleibt, wenn der grosse Name Platz macht – nämlich ein Ort und dessen Vergangenheit. «Mich interessiert, wie sich Geschichte physisch erleben lässt», erklärt Buchanan ihren Ansatz. «Ihre Kunst ist anspruchsvoll», erläutert Wismer, «sie versteckt sich oft zwischen Worten, Signaletik und Farbgebung.» Als Schnittpunkt vielfältiger Beziehungen will Buchanan das Gebäude selbst als Kunstraum erfahrbar machen.
Wie das aussieht, demonstriert das Foyer, in dem sich hinter einem pinken Zaun Werke aus dem Bestand der Öffentlichen Kunstsammlung Basel und der Emanuel-Hoffmann-Stiftung verbergen: Eisenplastiken, Malerei, alles sehr wuchtig und durch die Guckloch-Optik des Zauns in seinem Machismo eigentümlich hinfällig und verletzlich. Natürlich sei das Museum auf das Kunstverständnis der Siebzigerjahre ausgerichtet, sagt Wismer. Die Architektur sei zugleich eine Herausforderung und eine Stärke.
Zum Ausstellungskonzept gehört vor allem aber auch das Auswerten von Daten, die Buchanan im Museumsarchiv gesichtet und daraus eine Chronologie entwickelt hat: Wie ein «Rückgrat» (Buchanan) ziehen sich Zahlen und Fakten auf einer tragenden Wand der ehemaligen Papierfabrik bis in das oberste Stockwerk hinauf. Begleitet werden sie von Leitfragen («Wie passt mein Körper hier hinein?», «Werde ich wiederkommen?»), die das Publikum in seiner passiven Rolle aktivieren sollen. «Ich will die Traummaschine anwerfen», bekräftigt Buchanan.
Aus der Datenanalyse leitet sich eine «angewandte Statistik» ab, wie Wismer es nennt: Die Stockwerke sind in einzelne Zeitperioden unterteilt, wobei jeweils das erste und das letzte Werk gezeigt werden, die während der entsprechenden Periode zu den Sammlungen dazukamen. Das formalistische Auswahlkriterium schafft keine Einheitlichkeit, dafür umso mehr Abwechslung. «Manche Werke profitieren davon», sagt Wismer. «Andere nicht.»
Für Buchanan zentral ist ein Gemälde der Basler Künstlerin Miriam Cahn, dessen Titel auch die Ausstellung trägt. «Wir hätten gerne mehr Frauen gezeigt», erklärt Wismer, doch die Unterrepräsentanz sei eben eine Realität. «Wir haben nichts beschönigt.»
Programmatisch deshalb auch die lila Farbe des Vorhangs, der jetzt in dem Raum hängt, der einst Beuys vorbehalten war. «Ich bin Feministin», sagt Buchanan vergnügt. Gefärbt hat sie den Vorhang gemeinsam mit den Mitarbeitenden des Besucherdienstes – mit Holunderbeeren.«Ich habe es immer wieder gesagt», lacht Buchanan: «Wir sind das Vitamin C für das Museum.»
«Heute Nacht geträumt», Kunstmuseum Basel Gegenwart, bis 14.8.2022.