Mit diesem Auto darf sich VW keinen Fehltritt erlauben: erste Testfahrt im rein elektrischen ID.3.
Scheitern ist keine Option: Milliarden hat der VW-Konzern schon in die E-Mobilität investiert; bis 2024 sollen sich die Investitionen auf insgesamt 33 Milliarden Euro belaufen. Nach der Dieselkrise will der Konzern nun zum Weltmarktführer bei E-Autos werden. Ein ambitionierter Plan, bei dem Fehlschläge nicht vorgesehen sind.
Mit dem ID.3 trägt die Offensive jetzt auch bei VW erste Früchte – endlich. Nach vollmundigen Ankündigungen und zahlreichen Studien machte der für die breite Masse bestimmte Stromer zunächst mit Verzögerungsmeldungen aufgrund von Softwareschwierigkeiten von sich reden. Diese sind nun offenbar grösstenteils gelöst, der ID.3 kann ab sofort bestellt werden, die ersten Autos sollen im vierten Quartal 2020 zu den Kunden rollen. Zunächst ausschliesslich mit einer 58-kWh-Batterie (netto) und 150 kW starkem Heckmotor. Die Basisversion mit kleinerer 45-kWh-Batterie und das Topmodell mit 77-kWh-Akku und bis zu 549 km Reichweite folgen 2021.
Für die erste Testfahrt steht der Stromer als «ID.3 Max» bereit, also mit voller Ausstattung und der mittleren Batteriekapazität, die laut WLTP-Messung für 426 Kilometer Reichweite genügt. Nach der ersten Testfahrt von knapp 300 Kilometern über Land und Autobahn erscheinen rund 400 Kilometer im Alltag als realistisch – womit der ID.3 durchaus mit dem wichtigsten Kontrahenten mithalten kann: dem Model3 von Tesla. Während der kalifornische Stromer maximal 200 kW laden kann, sind es beim ID.3 je nach Version lediglich 50 bis 125 kW; in 30 Minuten lädt man damit im Idealfall Strom für bis zu 350 Kilometer – womit auch längere Reisen kein Problem darstellen.
Im Innenraum wirkt der ID.3 geräumiger als ein Golf, der in der selben Grössenliga spielt. Denn durch den E-Antrieb können die Räder weit nach aussen gerückt werden – der Radstand ist im Vergleich zum VW Golf um satte 13 Zentimeter länger. Vor allem auf der Rückbank sorgt das für ein sehr gutes Platzangebot. Einziger Wermutstropfen: Mit der grössten Akkuoption wird der ID.3 vom Fünf-zum Viersitzer, weil das zusätzliche Gewicht des Akkus die Zuladung verringert. Der Raum an sich bleibt aber erhalten, genauso das Kofferraumvolumen von 385 Litern.
Auch vorne sitzt es sich gut und luftig – allerdings fühlt man sich durch die tiefe Schulterlinie und die grossen Seitenscheiben etwas exponiert und die Sitzposition wirkt für Grossgewachsene etwas hoch – weil im Fahrzeugboden eben der Akku verbaut ist. Einzigartig am ID.3 ist die sehr flach stehende Frontscheibe. Sie verhilft dem Stromer zu mehr Reichweite dank geringerem Luftwiderstand. Dass der ID.3 mit einem cW-Wert von 0,27 hier trotzdem schlechter abschneidet als ein Tesla Model3, liegt vor allem am steilen Heck; ein flaches Limousinenheck liegt besser im Wind, ist aber für viele Kunden unpraktischer. Etwas unpraktisch ist dafür die flache Frontscheibe. Gerade an heissen Sommertagen sorgt sie für viel Sonneneinstrahlung, vor allem auf den Vordersitzen. Der Innenraum heizt sich dadurch stark auf.
Das Cockpit gibt sich aufgeräumt und übersichtlich. Vor dem Fahrer steht lediglich eine kleine Digitalanzeige als Tacho, in der Mittelkonsole steht das Touchscreen-Navi der neuesten VW-Baukasten-Generation mit einfacher Bedienung und übersichtlicher Darstellung. Einzig die Materialanmutung überzeugt im Innenraum nicht auf ganzer Linie.
An Türen und Armaturentafel kommt wenig hochwertiges Hartplastik zum Einsatz – was für die Basisversion ab 32000 Franken durchaus vertretbar wäre – für die höheren Ausstattungsvarianten, die bis zu 51100 Franken kosten, wäre etwas mehr Finesse aber angebracht – zumal das Fahrgefühl dank sehr guter Geräuschdämmung durchaus angenehm ist. Nur in der Stadt wirkt die Federung etwas straff – und das Bremspedal etwas undefiniert, weil das Zusammenspiel zwischen der Motor- und der mechanischen Bremse noch nicht optimal abgestimmt ist. Doch auch das könnte VW noch per Software-Update beheben.
Motor: E-Motor, synchron perm.
Leistung: 146-204 PS/310 Nm
Antrieb: Heck, Aut. 1-Gang
L×B×H: 4261×1809×1552 mm
Kofferraumvolumen: 385 l
Gewicht: 1720–1900 kg
0–100 km/h: 7,3 bis ca. 8,5 Sek.
Vmax: 160 km/h
Verbrauch: ab 15,4 kWh/100 km