2016 stellte Land Rover den klassischen Defender ein. Die Fans des Kult-Offroaders können nun aufatmen: Ineos bringt den Grenadier.
Der Land Rover Defender zählt laut Wikipedia-Eintrag zu den «Klassikern der Automobilgeschichte. Mehr als zwei Millionen Stück wurden zwischen 1948 und 2016 produziert. Er wurde immer wieder leicht modifiziert und dem Zeitgeist angepasst, wo es nötig war, doch im Grunde blieb sich der Defender treu: Ein schnörkelloser Offroader, gebaut fürs Grobe. Genau deswegen baute sich der britische Klassiker eine grosse Fangemeinde rund um den Globus auf – welche mit dem Nachfolger, den Land Rover 2019 präsentierte, nicht nur glücklich ist. Zwar ist der neue Defender ein äusserst gelungenes Fahrzeug. Auf der Strasse ist er seinem Vorgänger deutlich überlegen – und auch im schweren Gelände kommt er mindestens genauso weit. Doch mit Einzelradaufhängung, selbsttragender Karosserie und komplexer Elektronik ist er eben deutlich austauschbarer geworden – der ursprüngliche Charakter wird viel eher gekonnt zitiert, als wirklich weitergelebt. Für Offroad-Fans, die für Beruf oder Freizeit auf einen rustikalen Geländewagen angewiesen sind, bleibt der «alte» damit das einzig Wahre. Damit hat die Neuauflage des Land Rover Defender für den Hersteller zwar durchaus Sinn gemacht, weil viele neue Kundengruppen erschlossen wurden – und auch ein neues Geschäftsfeld eröffnet: Ein Auto zu bauen für all jene, die ein Fahrzeug im Stil des ursprünglichen Defender fahren möchten. Einer von denen ist offensichtlich auch Jim Ratcliffe, Gründer und Vorsitzender der Ineos Holding Limited und einer der reichsten Männer Grossbritanniens. Zwar ist die Unternehmensgruppe des Milliardärs in der Chemiebranche tätig, doch scheint Ratcliffe ein Faible für Autos – und insbesondere Offroader zu haben. In seinem Stamm-Pub «The Grenadier» soll er beschlossen haben, einen eigenen Geländewagen zu bauen – und hatte damit auch bereits einen passenden Namen. Seit 2017 lief schliesslich die Entwicklung des Ineos Grenadier.
Für das Projekt wurden namhafte Partner mit an Bord geholt. Magna International wirkt als «Engeneering Partner» mit. Der Österreichische Konzern fertigt unter anderem die G-Klasse für Mercedes, den i-Pace für Jaguar und den Z4 für BMW. Von BMW kauft sich Ineos die Motoren zu, das dazugehörige Getriebe kommt von Zulieferer ZF, der auch an Hersteller wie Jaguar/Land Rover, BMW, oder die VW-Gruppe liefert. Das Design hat Ineos in Eigenregie gestaltet. Chefdesigner Toby Ecuyer orientierte sich bei der Aussenansicht am klassischen Vorbild. Im Innenraum standen Boote und Flugzeuge Pate, was an den robusten Kippschaltern am Armaturenbrett und im Dachhimmel erkennbar ist. Auf grossflächige Touchscreens und feine Schaltflächen wurde bewusst verzichtet. Den Grenadier soll man auch mit dicken Arbeitshandschuhen problemlos bedienen können. Deswegen hat Ineos auch ein eigens Verteilergetriebe für die Geländeuntersetzung entwickelt. Es lässt sich über einen mechanischen Schalthebel bedienen, statt über elektronische Tasten. Allgemein wurde die Elektronik im Fahrzeug auf ein notwendiges und sinnvolles Minimum reduziert. ESP und die vorgeschriebenen Assistenzsysteme wie zum Beispiel ein Spurverlassenwarner oder ein Notbremsassistent sind mit an Bord, auch eine Rückfahrkamera ist erhältlich; weitere Funktionen sind aber bewusst nicht vorhanden. Auf dem Armaturenbrett thront aber ein Touchscreen, über den sich Navigation, Smartphone-Integration und einige Offroad-Anzeigen steuern lassen. Zudem dient der Monitor, der sich auch über einen Drehknopf bedienen lässt, auch als Tacho. Direkt vor dem Fahrer sitzt lediglich eine kleine Anzeige für die vorgeschriebenen Warnleuchten, ansonsten gibt es freie Sicht auf die Strasse aus den bequemen und mit gutem Seitenhalt versehenen Sitzen von Recaro. Der Innenraum wirkt insgesamt sehr grosszügig – in der Cargo-Version, die als Nutzfahrzeug zugelassen werden kann, passt sogar eine Euro-Palette in den Kofferraum mit zweiteiliger Hecktür. Auch hier kommt der Grenadier dem klassischen Defender nahe – allerdings mit entscheidenden Verbesserungen. Das gilt auch für das Fahrwerk, denn am klassischen Leiterrahmen sind weiterhin Starrachsen verbaut, allerdings mit Schraubenfedern anstelle von Blattfedern, was das Auto vor allem auf der Strasse deutlich zivilisierter wirken lässt. In Kombination mit den starken und geschmeidigen BMW-Motoren wirkt der Grenadier auf den ersten Metern vom Beifahrersitz aus durchaus alltagstauglich – auch wenn das nicht das alleinige Ziel war. «Ich glaube, wir sind unserem ursprünglichen Ziel, einen «ehrlichen» Offroader zu bauen, treu geblieben», lässt sich Jim Ratcliffe jedenfalls zitieren.
Der Grenadier kann für 450 Euro bereits vorbestellt werden; ausgeliefert soll er dann ab Herbst 2022 werden. Bis dann will man auch geeignete Vertriebspartner für die Schweiz gefunden haben. In Deutschland startet der Grenadier bei knapp 60 000 Euro; der Preis für die Schweiz steht noch nicht fest.
Motor: 3,0 R6 Benzin od. Diesel
Leistung: 285 PS/249 PS
Drehmoment: 450 Nm/550 Nm
Antrieb: Aut. 8-Gang, 4×4
L×B×H: 4927×1930×2033 mm
Bodenfreiheit: 264 mm
Wattiefe: 800 mm
Anhängelast: 3500 kg
Marktstart: Herbst 2022
Preis: ca 70 000 Franken