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Die «Stuhl- und Tischfabrik» in Klingnau schliesst aus wirtschaftlichen Gründen im Herbst 2019. Betroffen sind acht Angestellte.
Die Holzverarbeitungs- und Möbelindustrie hat eine lange und stolze Tradition im Zurzibiet. Doch die letzten Jahre waren keine guten. Das Familienunternehmen Weibel Möbel in Endingen schloss 2015 nach 150 Jahren seine Tore, im gleichen Jahr ging die ZKD Büromöbel AG in Kleindöttingen in Konkurs. Und 2017 wurde der traditionsreiche Koblenzer Bürostuhl-Hersteller Giroflex vom norwegischen Möbelriesen Flokk übernommen.
Nun die nächste Hiobsbotschaft: Die Stuhl- und Tischfabrik Klingnau AG kündigt die Betriebsschliessung per Herbst 2019 an. Betroffen sind acht Angestellte. Seit 1954 entwickelt, produziert und verkauft die Firma hochwertige Sitzmöbel und Tische. Die Firma wechselte seit ihrer Gründung mehrmals den Besitzer. Im Herbst 2017 übernahm der Baselbieter Richard Grossenbacher die Stuhl- und Tischfabrik von der Familie Lüönd. Nur eineinhalb Jahre später, im März 2019, starb Grossenbacher im Alter von 56 Jahren.
Beim Studium der Zahlen haben wir relativ schnell eingesehen, dass es nicht weitergehen kann.
(Quelle: Tobias Grossenbacher, Sohn des Firmen-Besitzers)
In einem Brief an die Kunden, Geschäftspartner und Lieferanten schreibt sein Sohn Tobias Grossenbacher nun: «Als mein geschätzter Vater Richard Grossenbacher im Herbst 2017 die Stuhl- und Tischfabrik Klingnau AG übernahm, war er voller Zuversicht und Motivation, dieses Schweizer Unternehmen, welches seit über sechzig Jahren Qualitätsware produzierte, in eine gesunde Zukunft führen zu können. Mein Vater hat sich selber keinen Lohn bezahlt und wollte mitunter dadurch und auch durch innovative Ideen die Firma in ihrer prekären finanziellen Situation retten. Leider meinte das Schicksal es nicht gut mit ihm und er verstarb völlig unerwartet und viel zu früh im März 2019. Für alle Mitarbeitenden und natürlich auch für uns als Familie ein Schock und vor allem ein grosser menschlicher Verlust.»
Nach dem Tod des Vaters hat Tobias Grossenbacher die Geschäftsleitung übernommen. Er war bereits einige Monate davor in die Firma im Bereich Verkauf/Aussendienst eingetreten. «Als Quereinsteiger», wie er betont, «mein Vater jedoch war seit rund 30 Jahren in der Branche tätig.»
Nach seinem Tod habe er zusammen mit der Erbenfamilie alles Mögliche versucht, um die Firma weiterführen zu können. «Aber uns fehlten schlichtweg die nötigen fachlichen, aber auch betriebswirtschaftlichen Kenntnisse. Auch die Suche nach einem neuen Besitzer oder Investor blieb erfolglos, wie Grossenbacher sagt. Einige wenige Kontakte habe es zwar gegeben, zu einem Abschluss sei es aber nie gekommen.
Die Auftragslage war bereits Ende des letzten Jahres nicht rosig. «Mal ging es rauf, mal runter», sagt Tobias Grossenbacher, «das Umfeld ist schwierig.» Nach dem Tod des Vaters habe er die Zahlen des Betriebs genau angeschaut: «Da haben wir relativ schnell eingesehen, dass es nicht weitergehen kann.»
In seinem Brief an Kunden, Geschäftspartner und Lieferanten führt Tobias Grossenbacher aus: «Öffentliche Aufträge konnten nicht gewonnen werden, Asien und der EU-Raum produzieren viel günstiger, die Produktion in der Schweiz ist zu teuer und kann so nicht mehr finanziert werden. Wir sehen uns deshalb gezwungen, die Firma aus wirtschaftlichen Gründen voraussichtlich im Herbst 2019 zu schliessen, und werden bis dahin alle bestehenden Aufträge sorgfältig und mit der vielseits geschätzten Qualität fertigstellen.»
Abnehmer der Produkte aus Schweizer Holz waren vor allem Restaurants, Bars, Kirchen, Hotels, Schulen. Auch Sitzungszimmer, Mehrzweckhallen oder Skihütten wurden mit Möbeln der Stuhl- und Tischfabrik Klingnau ausgestattet.
Wie geht es nun weiter? «Für die Mitarbeitenden werden wir sozialverträgliche Lösungen finden und unterstützen sie mit aller Kraft bei der Jobsuche», sagt Grossenbacher. Wann genau im Herbst die Türen schliessen, sei noch nicht klar. Das hänge etwa von den bestehenden Aufträgen, den Kündigungsfristen für Miete und Arbeitsverträge ab.
Nächste Woche soll zudem kommuniziert werden, dass eine Liquidation stattfinden wird. Maschinen, Werkzeuge, Holz und die Lagerbestände werden verkauft. Grossenbacher geht davon aus, dass die Liquidation übernächste Woche beginnen wird.