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Ganz alleine geht es trotz Eigenständigkeit doch nicht: Mellikon und Fisibach, bald umgeben von der Grossgemeinde Zurzach, suchen neue Kooperationen. Mit die grösste Herausforderung nach der abgelehnten Fusion: Die Verwaltungsfrage.
«Unsere Perspektive ist nicht gerade prickelnd», sagte Rolf Laube, Gemeindeammann von Mellikon, im letzten Herbst. Soeben hatte er vom Abstimmungsergebnis erfahren: Das kleine Dorf, Bevölkerungszahl 226, entschied sich für die Eigenständigkeit. Acht andere Gemeinden im Zurzibieter Rheintal hingegen besiegelten die Fusion: Im Jahr 2022 entsteht die flächenmässig grösste Gemeinde im Kanton Aargau mit dem Namen Zurzach.
«Dann sind wir in drei Himmelsrichtungen von einer Grossgemeinde umgeben, und im Norden grenzen wir an den Rhein beziehungsweise Deutschland. Wir sind also eingepfercht und auf uns alleingestellt», sagte Laube. «Es wartet sehr, sehr viel Arbeit auf uns.»
Mit die grösste Herausforderung: die Verwaltungsfrage. Aktuell ist Mellikon dem Verbund «Verwaltung 2000» angeschlossen. Diese wird mit Start der neuen Grossgemeinde Zurzach aber aufgelöst. Darum hat sich Mellikon in den vergangenen Monaten um eine Alternativ-Lösung bemüht. Eine eigene Verwaltung aufzubauen – dieser (auch finanzielle) Kraftakt war schnell vom Tisch, wie Rolf Laube sagt.
Mellikon machte sich darum auf die Suche nach einem Verwaltungspartner. Die Gemeinde holte mehrere Offerten ein: von Siglistorf, Fisibach und der neuen Gemeinde Zurzach. In einer Mitteilung an die Bevölkerung teilt der Gemeinderat nun mit: «Wir haben die Offerten intensiv diskutiert und verglichen. Und wir haben uns dafür entschieden, an der Gemeindeversammlung vom November 2020 eine Zusammenarbeit mit der neuen Gemeinde Zurzach zu beantragen.»
Das Angebot der Grossgemeinde besteche durch Planungssicherheit und den Erhalt des bestehenden Know-hows. Zudem garantiere die Lösung einen möglichst komplikationsfreien Übergang. «Für Mellikon bedeute das Angebot der neuen Gemeinde Zurzach eine grosse Chance, die Dienstleistungen in gewohnter Professionalisierung weiter nutzen zu können, und ermöglicht uns zudem eine starke Partnerschaft in der Region», heisst es weiter.
Konkubinat statt Hochzeit: So könnte man den Weg Mellikons also bezeichnen. Angestrebt wird eine enge Zusammenarbeit mit der neuen Grossgemeinde, ohne dieser aber anzugehören. «Es spricht für Zurzach, dass sie uns eine Offerte gemacht haben. Die Gemeinde hätte uns nach unserem Nein zu einer Fusion auch links liegen lassen können», so Laube.
Obgleich sich betreffend Verwaltung eine Lösung abzeichnet, könne eine weitere grosse Herausforderung noch nicht als gelöst bezeichnet werden, sagt Mellikons Gemeinderat Lukas Böhler. «Das Abstimmungsergebnis letzten Herbst kam äusserst knapp zustande. Die Folge war eine Spaltung der Bevölkerung. Es gab Spannungen im Dorf, die spürbar waren. Unser Ziel muss sein, wieder zu einer Einheit zu werden.» Womöglich könnte die Gemeindeversammlung im Herbst ein erster Schritt sein: «Wir waren ja schon bisher Teil einer grossen Verwaltung, und wären das auch in Zukunft wieder.»
Der Entscheid Mellikons hat Einfluss auf eine andere Gemeinde: Fisibach hatte grosses Interesse an einer gemeinsamen Verwaltung, wie Gemeindeammann Roger Berglas sagt. Die 513-Einwohner-Gemeinde verabschiedete sich rund ein halbes Jahr vor Mellikon definitiv vom Fusionsprozess, mit einem Nein an der Gemeindeversammlung.
Und steht nun vor derselben Herausforderung: Das Dorf grenzt an die neue Grossgemeinde, Deutschland sowie an den Kanton Zürich, und es sind Kooperationen notwendig. «Natürlich gibt es Herausforderungen, aber wir sind zufrieden und glücklich mit dem Weg, den wir eingeschlagen haben», sagt Berglas.
«Die Unabhängigkeit bedeutet uns enorm viel. Als Teil der neuen Grossgemeinde Zurzach wären wir nicht einmal gross genug gewesen, um das Referendum zu ergreifen. Wir hätten nicht mehr bestimmen können, wie es mit unserer Gemeinde weitergeht.»
Der Weg von Fisibach bestehe nun darin, so gute Kooperationen wie möglich einzugehen. «Wir arbeiten beim Abwasser mit der deutschen Gemeinde Hohentengen zusammen, unsere Schüler werden in Weiach im Kanton Zürich unterrichtet, und das regionale Sozialamt befindet sich im Zurzibiet», sagt Berglas.
Als Sitz einer gemeinsamen Verwaltung mit Mellikon hätte sich das alte Schulhaus in Fisibach angeboten, sagt Berglas. «Es steht leer, wir dürfen es aber nicht abreissen, weil es unter kommunalem Schutz steht, und Käufer haben wir bisher keine gefunden.» Eine Kooperation mit Mellikon wäre ideal gewesen, sagt Berglas. Dadurch wäre auch der Dorfkern gestärkt worden. «Wir sind enttäuscht, dass sich Mellikon für eine Kooperation mit Zurzach entschieden hat. Ich kann den Entscheid von Mellikon aber nachvollziehen, die Zusammenarbeit mit Zurzach macht aus Sicht der Gemeinde Sinn.»
Fisibach und seine Identität – eine Frage, die 2017 ihren Höhepunkt erreichte. Die Gemeinde liebäugelte mit einem Kantonswechsel nach Zürich. Die Gemeindeversammlung beauftragte den damaligen Ammann Marcel Baldinger, wegen des Kantonswechsels bei der Aargauer Regierung und namentlich Urs Hofmann vorstellig zu werden. Doch der Kanton Aargau legte sein Veto ein. Es seien keine Gründe ersichtlich, die einen derart grundlegenden Eingriff in die Struktur der Kantone Aargau und Zürich – wie ihn ein Kantonswechsel darstelle –, rechtfertigen würden, so die Begründung.
Zur Zürich-Frage sagt Roger Berglas: «Das Thema wurde von den Medien aufgebauscht. Es handelte sich um einen spontanen Gefühlsausbruch an der Gemeindeversammlung, danach nahmen die Dinge ihren Lauf.» Im Moment sei die Stimmung ruhig, die Frage der Identität stelle sich aus seiner Sicht nicht mehr. «Die Frage, ob wir dem Aargau, Deutschland oder Zürich näher stehen, ist unwichtig. Wir sind stolz, in Fisibach leben zu dürfen und fühlen uns in der gemischten Region wohl und zugehörig.»